Auf dem Mercado Central

Shopping Malls, Supermärkte, Starbucks, Creperie oder Straßenverkäufer, Cevicheria, Pikanteria, lokaler Markt? Fortschritt kämpft gegen Tradition, international gegen peruanisch. Samstag morgen entscheide ich mich in Begleitung von Katharina für einen Besuch des lokalen Marktes. Er liegt in einem Stadtviertel, das dicht an dicht mit kleinen Läden und Handwerksbetrieben bevölkert ist. Vom Eisenwarenhändler bis zum Gitarrenbauer ist hier alles ansässig. An den Straßenkreuzungen sitzen Frauen auf den Gehsteigen und verkaufen Obst und Kräuter. Und nicht zu vergessen sind die Konditoreien mit ihren quietschebunten Torten! Mitten in diesem geschäftigen Viertel befindet sich der Mercado Central mit vielen kleinen Marktständen in einer überdachten Markthalle, die einen ganzen Häuserblock einnimmt.

Am Eingang begrüßt uns eine Heiligenstatue und auch bei unserem Gang über den Markt treffen wir zwischen den Ständen immer wieder auf kleine Heiligenfiguren. Als erstes fallen mir die farbenfrohen Obststände auf mit den sorgsam gestapelten Orangen, Äpfeln, Melonen und Papayas – sogar die Erdbeeren sind sorgsam angeordnet und gestapelt. Daneben Stände mit Unmengen verschiedener Sorten von Kartoffeln – denen sich nahtlos Hundetrockenfutter anschließt. Was es da wohl für einen Bezug gibt? Avocado und Artischocken werden gesondert an anderen Ständen angeboten. Überhaupt scheinen die Produkte, die an den einzelnen Ständen verkauft werden, jeweils streng in eine Kathegorie zu fallen und die Stände ebenfalls sorgsam sortiert zu sein. 

Egal in welche Richtung wir uns vom Obst aus wenden, wir landen beim Fleisch. Nun, Fleisch spielt in Peru eine wichtige Rolle, da ein Essen ohne Fleisch kein wirkliches Essen ist. So bummeln wir zwischen gerupften Hühnern komplett mit Füßen und Kopf und zerhackten Hühnerschenkeln und -flügeln hindurch. Vor allem Hühnerfüße scheinen beliebt zu sein. Nebenan werden Schweinehaxen – oder sagt man Schweinsfüße? -, Koteletts, und Lendchen verkauft. Wieder einen Gang weiter kommen wir zu den Pansen, Herzen, Nieren und sonstigen Innereien. Hier riecht es schon weniger lecker. Gegenüber werden Rinderzungen angeboten – ganz schön riesige Waschlappen. Und völlig ungläubig betrachten wir an der nächsten Ecke die aufgestapelten getrockneten Schafsköpfe. Wofür werden die wohl verwendet?

Am Ende des ersten Abschnitts der ‚Fleischabteilung‘ angekommen, erwarten uns die Saftstände mit gestapelten Orangen, Ananas, Papaya und mehr. Nur mit dem Fleischgeruch noch in der Nase will keine rechte Lust auf einen frisch gepressten Saft aufkommen. Und so bummeln wir auf die andere Seite der Markthalle; vorbei an bunten Blumenständen kommen wir zu den Kräuterkiosken. Die kleinen Häuschen platzen aus allen Nähten, überall hängen frische und getrockenete Kräuter und traditionelle Heilmittelchen und Glücksbringer. Unter anderem werden getrockenete Lamaföten verkauft, die entweder als Brandopfer Mutter Erde darzubringen sind oder unter der Türschwelle des eigenen Hauses vergraben werden. Nachhilfe zum Glück. Ob das in Europa auch wirkt?

Ich stehe bewundernd vor einem Käsestand mit sorgsam aufgestapelten Käserädern und in Blätterstreifen gebundenem Frischkäse, als von hinten der Ruf ‚atencion!‘ erschallt. Und schon wird ein komplettes Schwein an mir vorbeigetragen. Ich folge dem Träger, der sich durch die Gänge des Marktes schlängelt und schließlich das Schwein zur weiteren Verarbeitung auf einem Marktstand ablädt. So lande ich wieder in der Fleischabteilung, diesmal auf der anderen Marktseite. Neben Schwein werden hier auch Rind und Alpaca verkauft. An einer altertümlich anmutenden Maschine wird frisches Hackfleisch produziert. Gleich nebenan sind die Fischstände, wo ich über ein Stück Tintenfisch staune und von dem Verkäufer erfahre: ’si, si, pulpo gigante‘. Aber wofür sind wohl die getrockneten Frösche, die gleich daneben sorgsam nebeneinander auf einer Leine aufgehängt sind? Meine Recherche ergibt: als Suppe und Potenzmittel zu genießen – na dann, wohl bekomm’s!

Mich begeistert der Markt. Staunen, rätseln und manchmal auch leichter Ekel. Aber unser Hackfleisch für die abendlichen Spaghetti Bolognese kaufen wir dann doch im Supermarkt – sauber verpackt, geruchsneutral und ohne grinsende Schweinsköpfe in der Auslage.

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Spanisch

… ist ja eigentlich eine schöne Sprache. Eine Weltsprache, die von rund 350 Millionen Menschen gesprochen wird und nach Mandarin-Chinesisch, Hindi und Englisch die am vierthäufigsten gesprochene Sprache der Welt ist. Und so würde ich ja gerne mit den Menschen hier in Südamerika – und im Moment insbesondere mit denen in Arequipa – ganz gerne ein wenig mehr kommunizieren. Warum aber nur fällt es mir so schwer das Spanische zu lernen? Nun, vielleicht bin ich zu ungeduldig. Kein Spanisch sprechen ohne Vokabellernen – das hat mir damals in der Schule schon nicht gefallen.

Derzeit kämpfe ich mit den grammatischen Strukturen des Spanischen und insbesondere dem ’subjuntivo‘. Das ist bei uns so in etwa der Konjunktiv. Mein Spanischlehrer findet meine Sprachverirrungen wohl ganz lustig und empfahl mir heute, ich solle die spanische Sprache etwas entspannter angehen. ‚Der Subjuntiv spiegelt die lateinamerikanische Lebensweise wieder. Ja und nein sind viel zu konkret. Mit vielleicht, kann sein und möglicherweise (quiza, posiblemente, probablemente) ist das Leben viel einfacher. Wenn du dich der lateinamerikanischen Lebensweise öffnest, kommt der Subjuntiv von ganz alleine.‘ Nun, ich werde es versuchen, aber so ganz überzeugt bin ich nicht. Schlägt da etwa meine deutsche Mentalität durch?

Nun, so werde ich wohl jetzt noch meine Spanisch-Hausaufgaben erledigen. Der Zeitpunkt ist perfekt. Die Strassen menschenleer und ruhig, wenige Autos und somit kaum Gehupe und auch der Weihnachtsmann mit seinen ‚Chocolate! Chocolate!‘-Rufen macht noch Pause. Es läuft das Halbfinale im Fussball, Peru – Uruguay. In der ersten Halbzeit steht es noch unentschieden. Mal sehen, wie das Speil ausgeht und dann morgen die Stimmung bei meinen peruanischen Spanischlehrern ist. Bis dahin ‚hasta luego‘!

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Mein Geburtstag in Arequipa

Wer hätte gedacht, daß ich meinen Geburtstag mit einem Flensburger Bier begießen kann? Nun, kaum stand ich gestern bei Lula und Max in der Wohnung, drückte mir Max zur Feier des Tages ein Flens in die Hand. Wie schön, den Geschmack der Heimat hier im fernen Arequipa zu haben!

Überhaupt war der gestrige Tag ein voller Erfolg, wie das ja so oft mit Tagen ist, denen man zu Beginn ein wenig skeptisch gegenübersteht. Ich kann meinen Bruder hier förmlich hören, wie er an dieser Stelle – wenn er neben mir stehen würde – einen Kommentar wie zum Beispiel diesen hier von sich geben würde: ‚Warum denn nur? So schlimm ist dein Geburtstag doch nicht, bist‘ doch im Alter gerade erst knapp über 50 % der Lebenserwartung…!“ Nun ja, positv gedacht, kann ich also noch viele Abenteuer erleben, viele neue Eindrücke und Freunde gewinnen.

Und so haben wir gestern die Küche von Lula belegt und Markus hat uns dort ein leckeres brasilianisches Essen gekocht, derweil wir anderen – alle Spanischlehrer und Spanischstudenten der EDEAQ in Arequipa –  Küche und Wohnzimmer belagert und uns mit Gesprächen und einem Caipirinha die Zeit vertrieben haben. Mit Max haben wir interessante und kontroverse Diskussionen über Marktwirtschaft, Demokratien und Entwicklungshilfe geführt. Wie schon manchmal habe ich mich gefragt, ob es wirklich Zufall war, daß ich gerade die letzten Tage ein unglaublich interessantes – und anscheinend preisgekröntes – Buch von dem britischen Ökonomen Paul Collier gelesen habe, der über ‚Die unterste Milliarde – warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann‘ schreibt. Ich habe mich auf jeden Fall gefreut, wieder Interesse an solchen komplexen Themen gefunden zu haben. Eine willkommene Abwechslung zu meinen – immer gern gelesenen – Krimis und Thrillern.

Aber eigentlich wollte ich ja von unserem Essen berichten. Auf 13 Uhr angesetzt, zog sich die Vorbereitung etwas länger als geplant hin. Was keiner von uns bemerkte, so intensiv haben wir uns unterhalten. Auf einmal dann jedoch der räumliche Umzug ins kleine Fernsehzimmer – das Fußballspiel Peru gegen Kolumbien fing an. Auf engstem Raum drängten wir uns vor dem Fernseher. Auf relaxte lateinamerikanische Art wurde das – nun fertige – Essen auf die Halbzeit des Fußballviertelfinales verschoben. Zu dem Zeitpunkt lag noch Spannung in der Luft. Aber der 16.07. war ein guter Tag und so hat sich im Laufe des Nachmittags Peru als erstes Land einen Platz im Halbfinale der Copa América gesichert. Sieg gegen Kolumbien in der Verlängerung mit 2:0. Was will man mehr?

Den weiteren Abend haben wir dann zu viert in einem netten kleinen Restaurant vebracht, das Sherri, eine Amerikanerin, für ihr Abschiedsessen ausgesucht hat. Aber während Sherri immer und jederzeit essen kann, reichte es bei mir nur zu einem Salat. Mein Magen war noch von dem verspäteten Mittagessen reichlich gefüllt. Viel zu spät bin ich dann ins Bett gekommen. Was heißt hier spät? Es war immerhin noch vor Mitternacht. Entgegen meinem sonstigen Rhythmus als Nachteule und Langschläfer bin ich hier auf Reisen immer früh im Bett und morgens früh aus den Federn. Und so bin ich heute morgen nicht ganz so schwungvoll aufgestanden. Was vielleicht nicht nur an dem späten Zubettgehen lag. Auch mein Kopf hat sich nach Wochen von fast vollkommener Alkoholabstinenz leicht zu Wort gemeldet: ein Flens, Caipirinha und dann noch Rotwein – mußte das sein? Nun, ich habe meinen Kopf mit einem entspannten Frühstück in der Sonne und mit einem Nutella-Brötchen versöhnt. Und nein – es ist nicht das 750 g-Nutellaglas, das ich mir zur Feier des Tages gegönnt habe.

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Erste Tage in Arequipa

Bisher habe ich noch nicht viel von Arequipa erkundet. Mit meinen entzündeten Achillessehnen heißt das Motto ‚wenig laufen‘. Was macht man in so einem Fall? Nun, ich habe mir eine nette Stadt gesucht – Arequipa – und nehme nochmal ein paar Stunden Spanischunterricht. Praktischerweise ist mein nettes, gemütliches Hostal ‚Los Andes‘ direkt in der Innenstadt, in der Nähe der Plaza des Armas, und die Sprachschule ist im gleichen Gebäude untergebracht.

Arequipa ist so ganz anders als ich es erwartet habe. Ja, eine Kolonialstadt, aber sie macht einen sehr modernen, fast europäischen Eindruck – zumindest in der Innenstadt. Es fehlen die Indiofrauen mit ihren Hüten und ihrer farbenfrohen Kleidung. Ich bummele durch die Arkadengänge der Plaza de Armas und sitze in dem kleinen Park auf den Parkbänken in der Sonne. So warm es in der Sonne ist, im Schatten ist es kalt und abends friere ich bitterlich. Wo sind meine 30 Grad aus Zentralamerika geblieben? Hier ist trotz Sonnenschein und blauem Himmel Winter. Temperaturgefühl scheint jedoch eine sehr subjektive Sache zu sein. So tragen die einen T-Shirts und kurze Hosen und die anderen eine Daunenjacke.

Trotzdem bin ich froh, daß ich nicht in San Jose geblieben bin und dort meine Achillessehnen auskuriere. Arequipa hat soviel mehr Flair – auch wenn der Geräuschpegel manchmal etwas lauter ist. Mein Zimmer im Hostel geht auf eine der viel befahrenen Straßen, die von der Plaza de Armas kommen, hinaus. Ein kleines gelbes Taxi am anderen – buchstäblich eine Invasion kleiner gelber Taxis, alle der gleichen Marke. Und mitten zwischen ihnen steht an der Straßenkreuzung ein Schokoladenverkäufer. Er verkauft rot eingepackte Schokolade – in voller Weihnachtsmann-Montur. ‚Chocolate! Chocolate!‘ so tönt es ab dem frühen Nachmittag lautstark direkt unter meinem Fenster. Ich überlege, ihn mit einem gut gezielten Blumentopf zum Schweigen zu bringen. Aber wo wäre dann nächstes Jahr Weihnachten Santa Claus?

Und dann ist da noch die blecherne Querflötenmusik. Wo kommt sie nur her? Das frage ich  mich fast eine Woche lang Tag für Tag. Ein bekanntes Lied, doch will mir der Titel nicht einfallen. Jeden Nachmittag und Abend tönt die Musik nervtötend und blechern durch die Straßen. Bleibt als Ohrwurm im Kopf hängen. Heute fuhr dann der LKW der Müllabfuhr an mir vorbei – und siehe da, das Rätsel um die Herkunft der Musik war gelöst. Die Müllabfuhr spielt die Musik. Es ist ein ‚Achtung, hier kommt die Müllabfuhr‘-Lied. Statt hupen. Das nervte die Bevölkerung von Arequipa anscheinend. Nun, ich bin mir nicht sicher, ob die Musik die bessere Variante ist.

Heute habe ich mit Sherri, einer weiteren Sprachschülerin, den Klosterhof der Iglesia La Compañia erkundet. Wunderschöne Innenhöfe mit Kreuzgang, die heute zu kommerziellen Zwecken genutzt werden. Und siehe da, unverhofft bekomme ich meine Indios präsentiert. Musiker und Tanzgruppen aus Bolivien sind in der Stadt und führen ihre farbenfrohen, traditionellen Folkloretänze auf. Aber: Gehörten die Luftballons an den Hüten der Tänzer auch bereits vor 50 Jahren dazu? Und als dann die Musiker ihre Panflöten zur Titelmusik von ‚Titanic‘ anstimmen, können Sherri und ich uns vor Lachen nicht mehr halten.

Mit solch kleinen Events und Überraschungen vergehen meine Tage in Arequipa wie im Flug. Ich habe nette Begegnungen mit anderen Travellern, die ich im Hostel oder auch in Cafes kennenlerne. Mit Dalia, einer in Israel lebenden Litauerin, verbringe ich einen netten und fast gourmetverdächtigen Abend in einem schweizerisch-peruanischem Restaurant. Ich esse mein erstes Alpaka-Steak und bin begeistert.

Trotzdem waren die ersten Tage manchmal trotz der vielen Menschen um mich herum fast ein bißchen einsam. Die meisten Leute, die ich kennenlerne sind nur auf der Durchreise in Arequipa für 2-3 Tage und aus meiner Sprachschule reisen die Mädels auch alle ab. So habe ich mir vor 3 Tagen noch Gedanken über das Wochenende gemacht. Werde ich zum Wochenende wieder jemanden kennenlernen? Oder muß ich meinen Geburtstag etwa mit mir alleine feiern? Nun, ich hätte mal wieder mehr Vertrauen in das Schicksal haben sollen. Markus, Sprachschüler aus Brasilien, wird uns morgen -Samstag, mein Geburtstag – ein brasilianisches Abschiedsessen kochen. Die versammelte Mannschaft aus Lehrern und Schülern trifft sich bei Lula und Max, die die Sprachschule betreiben. Und es gibt Pisco sour und/oder Caipirinha vorab – was will ich mehr….

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Philosophisches zur Postkarte

Derzeit bin ich ein bißchen schreibfaul. Blog, Emails, Spanisch-Hausaufgaben und gelegentlich die ein oder andere Postkarte… manchmal scheinen die Worte einfach aufgebraucht zu sein.

A pro po Postkarten. Postkarten schreiben ist ein anstrengender Prozess. Postkarte aussuchen – immerhin soll sie ja einen Ort zeigen, an dem ich war und ein Bild haben, daß meinen ästhetischen Ansprüchen entspricht. Ist der Kauf erst einmal getätigt, trage ich die Postkarte meistens erst mal eine Weile mit mir herum. Sie muß ein bißchen ‚reifen‘. So liegen auch jetzt 2 Karten in meinem Buch, die auf ein paar Buchstaben, Worte und Sätze von mir warten. Ist die Karte erst einmal geschrieben, kommt der Gang zur Post. Eine Briefmarke zu kaufen sollte einfach sein – sollte man meinen. Hier in Lateinamerika scheinen Briefmarken manchmal jedoch Mangelware zu sein. Und die Höhe der Frankierung für Deutschland scheint innerhalb des ein oder anderen Landes auch variabel zu sein. Schicke ich meine Postkarte dann auf die Reise nach Europa, so frage ich mich jedes Mal, ob sie denn auch ankommt. Zu häufig hatte ich schon die Rückmeldung: Postkarte? Nein, habe ich nicht bekommen!

Manchmal kommen auch vorsichtige Nachfragen, ob ich Postkarten verschickt hätte. Oder dezente Hinweise, daß es in manchen Ländern einfach besser wäre, die Postkarten direkt bei der Post einzuwerfen und nicht erst den Brüllaffen auf der Affenautobahn mitzugeben. Aber was für eine Freude, wenn die Karte dann doch endlich nach wochenlanger Reise ankommt. Und im internationalen Vergleich habe ich Kuba mal wieder unterstellt, langsamer zu sein als der Rest der Welt. Aber nein, Kuba schlägt Belize um Längen!

Nur…. dann kam doch Kritik an meiner aus Kuba verschickten Postkarte: ‚Weißt du was ich festgestellt habe? Das Papier der Karte ist so ähnlich wie das der Karten aus der ehemaligen DDR. Halt irgendwie so eigenartig… Ist wohl ein kommunistisches Papier. Denkst du es gibt ein Patent dafür und westliche Länder dürfen es deshalb so nicht produzieren? Habe auch eine Karte von Istanbul erhalten – die hat auch fast 3 Wochen gebraucht und das innerhalb von Europa… denke mal, die haben noch nicht kapiert daß es Konkurrent vom Internet gibt… .‘

Nun, was soll ich dazu sagen? Kommunistische Postkarten sollte man pflegen und hegen. Wer weiß wie lange es sie noch geben wird? Und ansonsten: Private Postkarten gibt es seit dem Jahr 1861 und seit 1878 konnten sie in die meisten Länder der Erde international verschickt werden. Und ich möchte nicht wissen, wie lange die Post damals unterwegs war! Aber heutzutage, im Zeitalter der Digitalisierung, ist die Postkarte auf dem absteigenden Ast – die Anzahl der versandten Postkarten sank laut einer britischen Umfrage von 1997 bis 2007 um 75%.

Fazit? Wie schön, daß ich noch Postkarten schreibe – auch wenn es wenige sind.

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In Erinnerung an ‚La Tortuga Feliz‘: A Maidu folktale

In the beginning there was no light, and everywhere there was water.

From the north a raft came, carrying Turtle. A feather rope fell down from the sky. Earth Starter came down the rope, tied it to the raft, and boarded it. He wore a mask, but through it his face shone like the very sun. Earth starter sat there quietly, looking at Turtle.

‚Where did you come from?‘ Turtle asked.

‚From way up there.‘ said Earth Starter, pointing at the sky.

‚I would like it if you would make me some dry land to stand on now and then,‘ said Turtle. ‚Will you be putting people on the earth?‘

‚Yes, I will.‘ Earth Starter replied.

‚When will you do that?‘

‚Sometime. If you want me to make you some dry land, though, you will have to get me some earth.‘

Turtle got ready to dive under the water to find some earth. Earth Starter tied a rock around Turtle’s wrist and tied the feather rope to Turtle’s leg.

‚If the rope is not long enough, I’ll give it a single tug.‘ Turtle said. ‚If it is long enough, I’ll get some earth and then tug on the rope twice, and then you can pull me up.‘

Then he dove over the side. But he stayed down there under the water for six years. When he came up he was covered with mud. He had only a little bit of earth, stuck under his claws. Earth Starter scraped this earth form Turtle’s claws and rolled it in his hands. The little ball grew and grew until it was as big as the world.

‚Good‘, said Turtle. ‚Now can you make some light?‘

So Earth Starter called his sister, the Sun, from the east and his brother, the Moon, from the west. And so the earth and its light were created.

(recorded in the early 1900s by Anthropologist A. E. Kroeber: creation of the Maidu a native people of central california)

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San Jose – Miami – Lima – Arequipa

Mein Flugticket für mein Weltenbummler-Jahr ist mir wirklich ans Herz gewachsen, erlaubt es mir doch relativ kostengünstig einmal um die Welt zu fliegen. Und hört sich ‚Round-the-World-Ticket‘ nicht gut an? Nur manchmal, machmal muß ich eben – wie im echten Leben auch – einen Umweg in Kauf nehmen, um ans Ziel zu kommen. Und so ist die Route San Jose/Costa Rica – Miami/Florida – Lima/Peru – Arequipa/Peru zustande gekommen. Würden diese Orte zusammen in einem Intelligenztest auftauchen, würde die zugehörige Frage natürlich lauten: Welcher der vier Orte fällt aus der Reihe?  

Von Costa Rica will ich weiter nach Peru. Mein Flug hat bereits in San Jose/Costa Rica Verspätung. Vielleicht hätte ich bei der Planung meiner Route einfach einige Tage in Miami einplanen sollen. Habe ich aber nicht. Ist da meine natürliche Abneigung gegen USA-Reisen durchgeschlagen? So komme ich nachts um 23 Uhr mit über einer Stunde Verspätung auf dem Flughafen in Miami an. USA-erfahrene Reisende werden wissen, daß in den USA kein internationaler Transit möglich ist. Also führt mich mein Weg durch die Immigration und dann zum Gepäckband. Habe ich mir vor dem Flug wegen der knappen Transitzeit Sorgen wegen möglicher Verzögerungen bei der Immigration gemacht, holt mich jetzt die Realität an anderer Stelle ein. Immigration in Rekordzeit abgehakt, meinen Rucksack im Schlepptau, meinen Boardingpass für Lima gezückt will ich wieder einchecken. Auch der Lima-Flieger hat Verspätung und wird erst in 2 Stunden abfliegen. Aber…. Gepäckannahme und Security haben auf dem Flughafen bereits Feierabend gemacht und ich komme nicht mehr in den Abflugbereich hinein.

Abfertigungsschalter von American Airlines? Sämtlich geschlossen. Eine geschlagene Stunde brauche ich, bis ich einen Mitarbeiter von American Airlines finde, der um diese Uhrzeit noch arbeitet und sich für mich und mein Problem zuständig fühlt. Die Mitarbeiterin der Mitternachtsschicht – die aber erst deutlich nach Mitternacht an ihrem Schalter auftaucht – teilt mir dann mit, daß ich heute nicht mehr nach Lima fliegen könnte. Wer hätte das gedacht. Skurril, daß der Lima-Flieger immer noch in Miami steht – so nah und doch unerreichbar für mich.

So verbringe ich auf Kosten von American Airlines eine Nacht in Miami. Erhalte bei Nacht einen kleinen Eindruck von Miami. Bin überrascht, daß alle spanisch sprechen. Bin ich hier in den USA? Aber ja, hier leben ja all die Exilcubaner, die dem Kommunismus den Rücken zugekehrt haben und dem Konsumismus frönen. Da mein Magen hartnäckig Hunger signalisiert – der Flug San Jose – Miami – war ohne Verpflegung – trabe ich einmal über die 4-spurige Straße und hole mir im gegenüberliegenden Imbiß einen waschechten amerikanischen Burger mit Pommes und Coca Cola. Lecker!

Angesichts meiner schmerzenden Achillessehnen erkunde ich am nächsten Tag Miami nicht, sondern verbringe ein paar Stunden am Hotelpool, bevor ich dann erneut versuche für meinen Flug nach Lima einzuchecken – diesmal mit Erfolg. Peru ich komme!

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La Tortuga Feliz II

Einige Tage später gehe ich das erste Mal nachts auf Patrouille. Start der Patrouille ist 10 Uhr abends, für 4 Stunden. 7 Kilometer Strand sind abzugehen. Mein erster Abend Patrouille ist erlebnisreich, aber auch mehr als frustrierend. Gleich 5 großen Lederschildkröten begegnen wir – was für ein Anblick. Ich staune! Wie kann sich eine kleine Baby-Schildkröte in eines dieser riesigen Tiere verwandeln? Allerdings sind uns bei 4 Schildkröten die Wilderer zuvorgekommen; die fünfte inspiziert den Strand und beschließt wieder ins Meer zurückzukehren. Es ist frustrierend. Die Wilderer verdienen gutes Geld; rd. 1 US-Dollar pro Schildkrötenei wurde mir erzählt. Die Lederschildkröten legen zwischen 50 und 100 Eier in einer Nacht – gutes Geld. Das ist nun mal die Realität. Das Projekt ‚La Tortuga Feliz‘ befindet sich an einem ‚vergessenen‘ Strand. Vor Ort leben nur rd. 15 Einheimische, Polizeipatrouillen sind selten und so kommen immer wieder Wilderer von außerhalb und rauben Schildkröteneier – und töten die grünen und die Karettschildkröten. Es ist im Gespräch, daß jenseits der Flußmündung demnächst eine Station der Küstenwache mit Unterstützung der US-Amerikaner gebaut werden soll. Die USA sind daran interessiert, den Drogentransfer, der durch dieses Gebiet läuft, zu unterbinden. Die Polizeipräsenz würde sich aber auch positiv für die Schildkröten auswirken.

Wie gesagt, die erste Nachtpatrouille frustrierte mich sehr, ebenso wie unseren Guide Jeison. Trotz der späten Heimkehr morgens um 2 Uhr war ich am nächsten Morgen früh wach. Die Sonne schien! Der von mir befürchtete Dauerregen, da ja jetzt die Regenzeit in Costa Rica begonnen hat, bleibt aus. Wir haben überwiegend schönes Wetter. Und die heftigen Platzregen, die immer wieder vorkommen, laden einen ein in der Hängematte liegen zu bleiben – es sei denn, die hatchery-Schicht oder Patrouille ruft. Das war dann einfach naß, naß, naß!

Ich verbringe meine Tage zwischen Patrouillen, hatchery-Schichten, Küchendienst, Badreinigung und Gartenarbeit. Trotzdem bleibt noch genug Zeit für die Hängematte. Was für ein Glück, daß es im Projekt eine kleine Bibliothek gibt. Freie Zeit zum Lesen gibt es genug. Ich liebe die hatchery-Schicht von 17 bis 20 Uhr, da zu dieser Zeit die meisten Babies schlüpfen. Mein Foto bleibt fast immer ausgeschaltet, da wir Nachts nur Rotlicht einschalten. Also nicht genug Licht um aktive kleine Schildkrötenbabies zu fotografieren. Aber auch die Morgenschicht von 6 bis 10 Uhr gefällt mir. 2 Stunden morgens angenehme Kühle, bevor ab 8 Uhr wieder der Schweiß in Strömen läuft. Manchmal verfliegt die Zeit in der hatchery, an anderen Tagen zieht sie sich wie Kaugummi dahin. Und meine Abendschicht mit Blitz, Donner und strömenden Regen werde ich auch so schnell nicht vergessen. Hatten wir uns doch beim Abendessen noch über gruselige Momente bei Nacht und Kriminalromane mit Psychofaktor unterhalten. Und eine Stunde später stand ich alleine in stockfinsterer Nacht bei strömenden Regen, die ab und zu von einem Blitz aufgehellt wurde, und mußte alle 15 Minuten meinen Kontrollgang durch die hatchery machen…. Da hatte ich doch Mühe meine Fantasie im Zaum zu halten.

Auch wenn meine Patrouillen nicht so erfolgreich waren, hatte ich doch Gelegenheit aus unmittelbarer Nähe die wundervollen Lederschildkröten zu betrachten und zu vermessen. An einem Abend kam eine Lederschildkröte zur Eiablage fast unmittelbar vor unsere Haustür. Es ist ein unglaubliches Gefühl diese riesigen, auf Land so ungelenken Tiere aus dem Meer kommen und auf dem Strand ihren Eiablageplatz suchen zu sehen. Als der Platz dann für geeignet befunden wurde, legte die Schildkröte mit dem Graben los. Ich traute meinen Augen nicht, mit welcher Präzision, Vorsicht und Eleganz dieses ungelenke Tier mit seinen hinteren Flossen das Loch für die Eiablage aushebt. Und wie tief. Immer wieder wird mit der Flosse die Tiefe des Nestes gemessen, bevor es mit dem Graben weiter geht. Um die Sache ein bißchen zu beschleunigen, grub unser Guide Jeison mit. Erstaunlich, daß sich die Schildkröte dadurch nicht stören ließ. Merkt sie nicht, daß das Loch viel schneller an Tiefe gewinnt als sonst? Naja, wer nur alle 2 bis 3 Jahre zur Eiablage an Land kommt, erinnert sich vielleicht nicht so genau an die Arbeit des letzten Mals…. Tatsächlich befinden sich die Schildkröten jedoch in einer Trance sobald sie mit dem Nestbau beginnen. So lassen sie sich in ihrer Arbeit kaum stören und bekommen auch nicht mit, daß wir ihnen ihre Eier direkt unter dem Hintern wegstibitzen. Die Eier fallen direkt in einen Plastiksack, den wir über dem Nest aufhalten.

Während Jeison und seine Patrouille die Eier in die hatchery bringen, habe ich mit Anne und Jenny Zeit und Muße unsere Lederschildkröte weiter zu beobachten. Wir haben unseren freien Abend. Nichtsahnend, daß ihre Eier schon lange nicht mehr in dem von ihr mühsam gegrabenen Loch liegen, müht sich die Lederschildkröte ab, ihr Nest wieder mit ihren Hinterflossen zu schließen. Danach verwendet sie unendliche Zeit darauf das Nest zu tarnen. Der komplette Strandabschnitt wird dabei umgepflügt. Eine Vierteldrehung nach rechts und kräftiges Schaufeln mit den vorderen Flossen, eine halbe Drehung nach links und kräftiges Schaufeln, zwei Mal robben und schaufeln …. So geht es unendlich lange. Jedes Mal, wenn die Vorderflossen in Aktion sind, fliegt der Sand tonnenweise durch die Gegend. 15, 30, 45 Minuten; es ist bereits Mitternacht. Schließlich wird Anne ungeduldig; sie hat morgen die frühe hatchery-Schicht ab 6 Uhr: ‚Beeil dich mal ein bißchen, ich muß morgen früh raus, um auf deine Kinder aufzupassen.‘ Unbeirrt schaufelt unsere Lederschildkröte weiter Sand. Über eine Stunde nach der Eiablage ist sie mit der Tarnung ihres Nestes zufrieden und macht sich auf den Weg ins Meer. Auch das ist ein einmaliges Spektakel, wenn dieses riesige Ungetüm (Panzerlänge 1,65 Meter!) den Strand entlangrobbt und nach und nach von Wellen überspült im Meer verschwindet. Ich stehe da und sehe auf das Meer hinaus und frage mich, ob alles nur ein Spuk war.

Aber nein, ich erinnere mich noch lebhaft an das Gefühl als ich ein paar Tage zuvor mit meinem Guide Hernan eine Lederschildkröte vermessen habe. Die Lederschildkröte war bereits dabei ihr Nest zu tarnen, als wir sie sahen. Sie schaufelte Sand und wir wollten ihre Markierungen an den hinteren Flossen lesen. Wir hatten zwar Erfolg, aber bei dieser Aktion habe ich so viel Sand wie noch nie zuvor ins Gesicht geschaufelt bekommen. Was für eine Wohltat war da die kalte Dusche morgens um 2 Uhr um den Sand abzuspülen!

Die letzte Woche wurde es ruhiger im Projekt. Die Saison der Lederschildkröten war zu Ende, die grünen Schildkröten ließen auf sich warten. Gleich in der ersten Woche informierte uns die Küstenwache, daß die grünen Schildkröten sich bereits im Meer vor der Küste paaren. Sie ließen sich allerdings nicht am Strand blicken. Die Patrouillen kamen jeden Abend ohne Erfolg zurück. Schade. Nur Anne bringt mit ihrem Guide zwei Mal die Eier einer Karettschildkröte in die hatchery. Eine Seltenheit, da jede Saison nur 5 oder 6 dieser Schildkröten ihre Eier an diesem Strandabschnitt ablegen. Da ich inzwischen fußkrank bin, verpasse ich nichts. Zuviel im weichen Sand gelaufen – meine Achillessehnen schmerzen.

Schweren Herzens reise ich 3 Tage früher als geplant ab um zum Arzt zu gehen. Ruhe, Dehnen, Tabletten, Salbe, Eis zum Kühlen. So habe ich viel Zeit über die letzten knapp 3 Wochen ‚La Tortuga Feliz‘ nachzudenken. Hat sich mein Aufenthalt bei ‚La Tortuga Feliz‘ gelohnt? Würde ich wieder hinfahren? Uneingeschränktes JA! Ich habe viele nette Leute kennengelernt und eine professionelle Arbeit mit den Schildkröten durch wirklich engagierte Leute – hier sind Daniela, Alessia und Justin zu nennen, die die tägliche Arbeit bei ‚La Tortuga Feliz‘ managen – erlebt. Natürlich gab es auch einige Punkte, die mir negativ aufgefallen sind. So bin ich der Meinung, daß ein wenig mehr Engagement seitens des Managers von ‚La Tortuga Feliz‘ dem Projekt, den Voluntären und vermutlich auch der Gemeinde guttun würde. Aber ich hätte auch bei dem ein oder anderen Guide vor Ort mehr Engagement für die Arbeit erwartet und nicht nur Interesse an Gesprächen über Frauen. Aber was erwarte ich bei einer so kleinen Gemeinde vor Ort, die überwiegend aus alleinstehenden Männern besteht? Aber alles in allem macht ‚La Tortuga Feliz‘ einen tollen Job. Ich hoffe, das bleibt auch in der Zukunft so.

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La Tortuga Feliz I

Da bin ich wieder. Donnerstag vor 3 Wochen habe ich mich morgens in San Jose auf den Weg zum Busbahnhof gemacht. 3 Stunden Fahrt nach Bataan – für 2.450 Colones oder 3 €. Bereits am Busbahnhof treffe ich Erin. Sie ist aus den USA. Mit ihr werde ich die nächsten 3 Wochen verbringen.

Der Bus hält in Bataan direkt vor einem uralten Trailer. Aufgebockt, das ein oder andere Rad noch auf der Achse, aber platt, und ganz in Silber angesprüht ist der Trailer zum Pizza-Imbiss umfunktioniert. Hier treffen wir Justin von ‚La Tortuga Feliz‘. Es bleibt noch ein bißchen Zeit für letzte Einkäufe. Obwohl Bataan gefühlt nur aus einer ungeteerten Straße mit ein paar Häusern rechts und links besteht, scheint es hier fast alles zu kaufen zu geben. Noch ist Cuba nicht aus meiner Erinnerung verschwunden, so daß ich über das Einkaufsangebot des kleinen Ortes staune und mich daran erfreue. Es ist so viel umfangreicher und vielfältiger als in vielen größeren Städten auf Cuba. Ich kaufe noch ein paar Kekse, schließlich werde ich 3 Wochen ohne Einkaufsgelegenheit sein. Noch kann ich mir nicht vorstellen, daß ich 2 Wochen später von eisgekühlter Coca Cola träumen werde.

1 Uhr Mittag Abfahrt mit einem Pickup zur Bootsanlegestelle, wo uns ein Boot für unsere weitere Fahrt auf einem Kanal Richtung Meer – vorbei an der Flußmündung des Rio Pacuare – nach ‚La Tortuga Feliz‘ erwartet. Erin bekommt eine Palette Eier in die Hand gedrückt: ‚Aufpassen, daß nichts zu Bruch geht!‘ Ich habe meine Hände frei und mache erste Fotos von unserer Bootsfahrt. Bereits nach 10 Minuten hören wir Brüllaffen in den Bäumen schreien – und sehen sie dann auch. Der Kanal wird breiter, wir fahren an der ein oder anderen Lodge und schließlich an der Flußmündung ins Meer vorbei. Dazwischen können wir einen Blick auf den Vulkan Turrialba erhaschen, der heute nur wenig vor sich hinraucht. Dann wird der Kanal wieder enger und die Bootsanlegestelle von ‚La Tortuga Feliz‘ liegt vor uns. Wir werden bereits erwartet: Daniela, die das Tagesgeschäft des Projektes managt, einige Voluntäre und etliche Hunde drängen sich auf dem Anlegesteg und helfen uns beim Ausladen.

Erin und ich richten uns in einer Hütte ganz für uns ein – ein echter Luxus, da derzeit nur wenige Voluntäre vor Ort sind. Eigentlich sind die Hütten jeweils für 6 Personen ausgelegt. Puh, das wäre eng geworden. Ein erster Rundgang durch das Projekt, dann führt uns unser Weg an den Strand und von dort zur 5 Minuten entfernt liegenden hatchery (auf Deutsch: Schildkrötenaufzuchtstation – viel zu kompliziert, es bleibt beim englischen ‚hatchery‘). Wir sind an einem einsamen Stück Strand an der Karibikküste gelandet, südlich des Nationalparks Tortugero. Rund 7 Kilometer einsamer Strand, die weder zu einem Schutzgebiet gehören noch regelmäßig von Polizei oder Küstenwache patrouilliert werden. So sind Wilderer aus den umliegenden Städten keine Seltenheit, da sie hier ungestraft Schildkröten und deren Eier einsammeln können. ‚La Tortuga Feliz‘ hat es sich zur Aufgabe gemacht hier ein Gegengewicht zu setzen. Keine einfache Sache. Der erste Eindruck ist toll. Ich bin gespannt wie es weiter geht.

Ein kleiner Exkurs zu den hier an die Küste kommenden Schildkröten: Da gibt es die Lederschildkröte, die als größte lebende Schildkröte eine Panzerlänge bis zu 2,50 Metern und ein Gewicht von 700 Kilogramm erreichen kann. Ihr Name stammt von ihrer lederartigen Haut, denn sie besitzt keinen typischen Schildkrötenpanzer wie die anderen Schildkröten. Ab Juni kommen die ‚Tortuga Verde‘ (grüne Schildkröte), die im Deutschen eigentlich Suppenschildkröte heißt, und die echte Karettschildkröte (Hawksbill-Schildkröte) zur Eiablage. Diese beiden Schildkröten werden durch die Wilderer nicht nur ihrer Eier beraubt, sondern auch getötet. Die grüne Schildkröte wird dabei – wie ihr Name Suppenschildkröte es aussagt – verspeist und der Panzer der Karettschildkröte ist beliebt für die Schmuckherstellung.

Weiter geht es am nächsten Tag mit Schulungen. Vormittags werden wir in unsere Arbeit für die nächtlichen Patrouillen eingewiesen. Fragen über Fragen: Was gibt es hier für Schildkröten? Wie erkenne ich sie? Wie verhalte ich mich ihnen gegenüber? Wie dokumentiere ich meine Schildkrötenbegegnung? Markierungen an den Hinterflossen der Schildkröte lesen und notieren. Wie messe ich Länge und Breite der Schildkröte? Verletzungen notieren. Und vor allem, wie verhalte ich mich gegenüber Wilderern? Aufgrund der fehlenden Polizeipräsenz und um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen heißt das Motto ‚Die Schildkröte gehört dem, der sie zuerst sieht.‘ Der Kopf brummt nach all den Informationen, die Daniela uns mit viel Engagement zukommen läßt.

Kaum ist der Vormittag und das Mittagessen verdaut, da geht es in die hatchery zur nächsten Schulung. Noch sehe ich nur ein eingezäuntes Stück Strand, auf dem in regelmäßigen Abständen Käfige stehen. Es übersteigt meine Vorstellungskraft, daß hier in 60 bis 70 cm Tiefe Eiuer vergraben liegen, aus denen Schildkrötenbabies schlüpfen und sich durch den Sand an die Oberfläche kämpfen werden. Von Alessia lerne ich wie ich die Babies anfassen, messen und wiegen muss, bevor sie dann in die Freiheit entlassen werden dürfen und was sonst noch so in der hatchery zu tun ist.

Noch ist für mich alles Theorie, doch gleich am nächsten Abend meiner hatchery-Schicht geht es dann rund. Mit Erin zusammen habe ich alle Hände voll zu tun, da an diesem Abend 3 Nester aktiv werden. Ich staune ganz ehrfürchtig als 50 Schildkrötenbabies auf einmal durch den Sand an die Oberfläche strampeln. Zuerst bricht der Sand trichterförmig ein, dann ist die ein oder andere Nasenspitze sichtbar. Dazwischen wieder 10, 15 Minuten und mehr Stillstand, und plötzlich ist der Käfig voller kleiner Schildkröten, die raus in Richtung Meer wollen. 15 von Ihnen wiegen und messen wir – was angesichts der Aktivität der Kleinen manchmal nicht ganz einfach ist. Schließlich setzen wir die versammelte Mannschaft in einigem Abstand zur hatchery aus. Es ist ein überwältigender Anblick diese Menge kleiner Schildkröten zielstrebig und mit aller Kraft Richtung Wasser robben zu sehen. Was für ein Tempo einige von ihnen vorlegen. Ehe ich mich versehen habe, sind sie in der Nähe des Wassers angekommen und die ersten von ihnen werden von den Wellen mitgenommen. Andere wieder werden durch die erste Welle zurück an den Strand geworfen und müssen sich nochmals abstrampeln um im 2. oder 3. Anlauf das sichere Wasser zu erreichen.

Es ist ein kleines Wunder den Weg dieser kleinen Lederschildkröten zu verfolgen. Und wo geht es jetzt wohl im Meer hin? Wie kommt es, daß Baby-Wasserschildkröten alleine auf große Reise gehen können und sicher nach Hause finden? Ich lese, daß Schildkrötenbabies die ersten Jahre zwischen Plankton versteckt verbringen und in den Meeresströmungen große Entfernungen zurücklegen. Sie treiben von einer Strömung in die andere – aber wie schaffen sie es nur, die Kälte der Antarktis und Arktis zu vermeiden? Und wie um alles in der Welt finden sie nach rund 30 Jahren ihren Weg zurück an den Strand ihrer Geburt um dort ihre Eier abzulegen? Es ist doch erstaunlich, was in der Natur so alles möglich ist. Wissenschaftler der Universität von North Carolina sind bei Unechten Karettschildkröten auf einen genetisch festgelegten Sensor gestoßen, der das Erdmagnetfeld registriert. Mit dessen Hilfe bekommen die Schildkröten zu gegebener Zeit den Tipp, die Reiserichtung zu ändern.

Noch sind die Wissenschaftler dabei die ‚Lost Years‘, wie sie die ersten Jahre der kleinen Wasserschildkröten nennen, zu erforschen. So haben zwei Meeresbiologinnen der Universität Florida siebzehn Schildkrötenbabys zwischen vier und sechs Monaten mit GPS Sendern ausgestattet. Per Satellit konnten sie verfolgen, daß eines dieser Schildkrötenbabies in 70 Tagen um die 7200 Kilometer zurücklegte, eine Entfernung wie von London nach Mumbai. Toll, oder?

 

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Ich tauche wieder ab …

Die nächsten 3 Wochen werde ich im Nationalpark Tortugero bei einer gemeinnützigen Organisation, die sich ‚la tortuga feliz‘ nennt, verbringen. Ich werde dort als Volunteer arbeiten. Es ist die Zeit in der die Meersschildkröten zur Eiablage kommen. Ich sehe mit Spannung meinem Aufenthalt dort entgegen, da ich noch keine richtige Vorstellung habe, was auf mich zukommt. Da ich 3 Wochen ohne jeglichen Kontakt zur Zivilisation sein werde (kein Strom, kein Internet, kein Handy), wird mein Blog ohne Einträge in dieser Zeit sein. Schon wieder, wird der ein oder andere von Euch sagen, der verfolgt hat, daß ich in Cuba auch kaum geschrieben habe. Nun, ich werde nach meiner Rückkehr nach San José berichten. Bis dahin schaut einfach mal auf die Internetseite www.latortugafeliz.com.

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