Cordoba

Eine lange und doch kurze Bus­fahrt bringt mich von Bue­nos Aires nach Cor­do­ba. Lang, da ich über Nacht fahre. Kurz, da der Bus be­reits um 5:30 Uhr in Cor­do­ba an­kommt und ich um 4:30 Uhr zum Fru­ehs­tu­eck ge­weckt werde. Dies­mal komme ich de­fi­ni­tiv ziem­lich un­aus­ge­schla­fen und un­wirsch in einer neuen Stadt an.

Es hilft auch nicht, daß die Stadt grau in grau ist. Die Sonne kommt auch Stun­den spä­ter nicht wirk­lich zum Zug. Die Asche – eine ganz feine Staub­schicht be­deckt alles. Ich gönne mir noch am Bus­bahn­hof erst mal einen ‚Cafe doble‘ zum Auf­wa­chen und ein Crois­sant. Nun sieht die Welt schon ein biß­chen wa­cher aus. Und dann stel­le ich mich in die Ta­xisch­lan­ge. Jeder zwei­te, der hier an­kommt will mit dem Taxi weg. Ich habe so un­ge­fähr hun­dert Leute vor mir. Und bin dann doch er­staunt, daß ich nach nur 12 Mi­nu­ten schon im Taxi sitze. Ich woll­te ge­ra­de schon wie­der zu grum­meln an­fan­gen …

Im Hos­tel habe ich Glück und mein Zim­mer ist frei und damit kann ich es mir gleich ge­müt­lich ma­chen. Manch­mal hat so ein ei­ge­nes Zim­mer ja auch so seine Vor­tei­le. Nach­dem ich mit dem lin­ken Fuß aus dem Bus aus­ge­stie­gen zu sein schei­ne, schla­fe ich erst noch mal ein biß­chen. Auch an­schlie­ßend in­spi­riert mich der Tag nicht zu gro­ßen Ak­tio­nen. Ich be­schlie­ße mor­gen Cor­do­ba noch ein­mal mit fri­schen Augen an­zu­se­hen.

Und tat­säch­lich. Am nächs­ten Tag ist nicht nur meine Laune deut­lich bes­ser, auch die Sonne ist zu­rück. Oder liegt meine gute Laune an der Sonne? Egal wie, ich mache mich er­neut auf zu einem Bum­mel durch die Stadt und ge­nie­ße die erste rich­ti­ge Fuß­gän­ger­zo­ne, die ich in den letz­ten 8 Mo­na­ten in einer Stadt ge­fun­den habe. Die Stadt macht einen ge­schäf­ti­gen Ein­druck – naja, kein Wun­der, ist sie schließ­lich die zweit­größ­te Stadt Ar­gen­ti­ni­ens. Ich klap­pe­re die Haupt­se­hens­wür­dig­kei­ten bei mei­nem Bum­mel durch die Stadt ab, das sind vor allem die alten Ko­lo­ni­al­ge­bäu­de. Viele Uni­ver­si­tä­ten und In­sti­tu­te haben Cor­do­ba zu ihrem Spitz­na­men ‚La Docta‘ (die Ge­lehr­te) ver­hol­fen. Ich finde die vie­len Stu­den­ten und Uni­ver­si­tä­ten herr­lich. Schaue mir den ein oder an­de­ren In­nen­hof an und ge­nie­ße ein­fach nur das Flair der Stadt.

Ei­gent­lich woll­te ich ja von hier aus noch einen Ab­ste­cher in die klei­ne Nach­bar­stadt Alta Gar­cia ma­chen. Das eine Stun­de Bus­fahrt ent­fernt lie­gen­de Alta Gar­cia ist be­kannt für die Es­tan­cia der Je­sui­ten, die unter UNESCO-Schutzt steht, und das Che Gue­va­ra-Mu­se­um, da Che hier einen be­trächt­li­chen Teil sei­ner Ju­gend ver­bracht hat. Und nach­dem mir das Kon­ter­fei von Che auf Cuba so häu­fig auf Häu­ser­wän­den be­geg­net ist, wäre ein wenig Fort­bil­dung in Sa­chen Che si­cher­lich in­ter­es­sant ge­we­sen. (Auf Cuba woll­te ich weder mei­nen Ruck­sack noch meine Rei­se­kas­se mit der doch sehr ein­sei­tig ge­präg­te Li­te­ra­tur über Che be­las­ten.) Aber da ich Flair und Rhyth­mus von Cor­do­ba so ent­span­nend finde und ich mor­gen abend gleich den nächs­ten Nacht­bus nach Men­do­za neh­men werde, bleibt der Aus­flug nach Alta Gar­cia auf der Stre­cke. Neben Bue­nos Aires und Salta ein Grund mehr ir­gend­wann wie­der einen Ur­laub in Ar­gen­ti­ni­en ein­zu­pla­nen. Und manch einer mei­ner frü­he­ren Rei­se­be­glei­ter wird sich fra­gen, was mit mir los ist: Eine Se­hens­wür­dig­keit aus­las­sen? Anke, geht es dir gut? Tja, 8 Mo­na­te rei­sen lässt mich eben alles etwas ent­spann­ter an­ge­hen.

Ach ja, Bil­der von Cor­do­ba? Ir­gend­wann spä­ter, ich muß einen In­ter­net-PC fin­den, der mit mei­ner ex­ter­nen Fest­plat­te zu­sam­men­ar­bei­ten mag.

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5 Tage Buenos Aires – Alltägliches

Mein Foto macht Punk­te auf den Bil­dern. Also rei­ni­gen las­sen. Wenn nicht in Bue­nos Aires, wo denn dann? Ich suche mir aus dem In­ter­net eine Adres­se eines Fo­to­ge­schäfts in der In­nen­stadt und mache mich auf die Suche. Hm, der Laden ist ver­ram­melt und ver­rie­gelt mit einem Roll­tor. Im Nach­bar­la­den, einer Dru­cke­rei, kom­men nur rat­lo­se Bli­cke auf meine Nach­fra­ge. Den Fo­to­la­den scheint es also schon eine Weile nicht mehr zu geben. Aber ich er­hal­te eine neue Adres­se ein paar Stra­ßen­blö­cke wei­ter. Kenne ich das nicht schon aus Lima?

Ich finde das Fo­to­ge­schäft auf der Ave­n­i­da Dia­go­nal Norte so­fort, ernte aber wie­der nur Kopf­schüt­teln. Nur Ver­kauf, keine Re­pa­ra­tur oder Rei­ni­gung in die­sem Laden. Aber auch hier er­hal­te ich wie­der eine neue Adres­se – dies­mal sogar auf­ge­schrie­ben: Sui­pacha 255 7″ 3″. Ok. Ich mache mich er­neut auf die Suche. Gleich um die Ecke drei Blö­cke wei­ter finde ich die Stra­ße Sui­pacha und laufe die Ge­schäf­te ab. Den Haus­num­mern nach muß es auf der lin­ken Seite sein. Nichts. Ich drehe um und mus­te­re noch­mals alle Ge­schäf­te: Schuh­ge­schäf­te, Tango­ge­schäf­te, ein Han­dy­la­den, ein Pa­pier­ge­schäft, aber kein Fo­to­la­den. Am Ende des Stra­ßen­blocks drehe ich wie­der um, ver­fol­ge jetzt die Haus­num­mern im Ein­zel­nen und zähle, wo es keine gibt. Und siehe da, Haus­num­mer 255 ist ein Wohn­block, den ich bis­her voll­kom­men igno­riert habe. An den Klin­geln sind weder Namen noch Ge­schäfts­adres­sen ver­merkt – ich bin ir­ri­tiert. Und keine Ah­nung wie mein Re­pa­ra­tur­ge­schäft heißt.

Ich zeige dem Pfört­ner mei­nen Zet­tel – wie gut, daß es in fast jedem Haus hier einen Pfört­ner gibt – und er nickt: rich­ti­ge Adres­se, 7. Stock, 3. Tür auf der rech­ten Seite wenn ich aus dem Auf­zug komme. Nein, der Auf­zug ist kein Pa­ter­nos­ter, aber viel fehlt nicht. Ich ziehe die Falt­tü­ren des Auf­zugs zu und fahre ru­ckelnd in den 7. Stock. Dort stehe ich dann vor einer Tür mit der Ge­schäfts­an­schrift ‚ABC-Ser­vice‘. Etwas skep­tisch drü­cke ich auf die Klin­gel, werde aber pro­fes­sio­nell emp­fan­gen, meine Ka­me­ra wird in­spi­ziert, ich er­hal­te eine Quit­tung und kann mor­gen nach­mit­tag die Ka­me­ra ge­rei­nigt gegen 200 A$ (im­mer­hin 34 Euro) ab­ho­len. Er­hal­te sogar 1 Jahr Ga­ran­tie auf die Rei­ni­gung. Brau­che ich nicht, ist aber im Preis in­klu­si­ve, wie mir er­klärt wird. So bin ich erst­mal ohne Ka­me­ra. Bis­her war das Wet­ter grau in grau mit Re­gen­schau­ern – wofür brau­che ich da eine Ka­me­ra? Aber kaum komme ich ohne Ka­me­ra auf die Stra­ße scheint die Sonne. So ein Pech!

Sams­tag mor­gen brin­ge ich dann meine Wä­sche zum Wa­schen. ‚Gleich um die Ecke in Costa Rica‘ be­kom­me ich in mei­nem Bed & Bre­ak­fast ge­sagt. Costa Rica, Pa­ra­gu­ay, Ve­ne­zue­la, Peru, … ganz La­tein­ame­ri­ka ist hier bei den Stra­ßen­na­men ver­tre­ten. Also trabe ich mit mei­nem Plas­tik­beu­tel schmut­zi­ger Wä­sche los – und laufe wie­der vor­bei. Ganz um die Ecke kann doch nicht so weit sein. Also drehe ich um und mus­te­re wie­der die Häu­ser­fron­ten. Dies­mal sagt mir meine Nase, daß ich der Wä­sche­rei nahe bin. Ich er­ken­ne sie erst auf den zwei­ten Blick. Ohne Wer­be­schild, wie ein Hoch­si­cher­heits­trakt hin­ter einem wei­ßen Git­ter­wald ver­bor­gen. Keine Tür offen. Ich rei­che meine Wä­sche durch eine klei­ne Fens­ter­öff­nung in dem Git­ter­wald ins In­ne­re. Für 14 Peso (2,39 Euro) er­hal­te ich meine Wä­sche ge­wa­schen ins Bed & Bre­ak­fast zu­rück­ge­lie­fert. Was für ein Ser­vice – wenn man die Wä­sche­rei denn fin­det.

Auch wenn ich mich in den Stra­ßen von Bue­nos Aires be­we­ge, merke ich, daß ich in La­tein­ame­ri­ka bin. In La­tein­ame­ri­ka müs­sen Fuß­gän­ger schon auf sich auf­pas­sen. Hier hält kein Auto. Viel­mehr komme ich mir manch­mal vor wie bei einer Ka­nin­chen­jagd. Be­fin­de ich mich auf der Stra­ße, geben die her­an­na­hen­den Au­to­fah­rer erst recht noch ein­mal Gas und drü­cken kräf­tig auf die Hupe. Als Ka­nin­chen hüpfe ich dann immer wie­der schnell auf den nächs­ten Bür­ger­steig. Wir sind hier eben doch nicht in Ita­li­en oder Paris, wo die Au­to­fah­rer zwar tem­pe­ra­ment­voll, aber rück­sichts­voll un­ter­wegs sind.

Und nicht nur auf den Stra­ßen ist Auf­merk­sam­keit ge­bo­ten, auch beim Bum­mel über die Märk­te darf ich nicht vor mich hin­träu­men. Ta­schen­die­be. Ich habe ja schon man­ches Mal Ab­stand von Leu­ten ge­hal­ten, von denen ich dach­te, daß sie auf der Suche nach einem Opfer sind. Aber ges­tern bin ich auf einem Kunst­hand­wer­ker­markt zwi­schen zwei gut ge­klei­de­te Frau­en um die Mitte 50 ge­ra­ten. Und ich war etwas ver­blüfft, wie schnell das Sei­ten­fach mei­ner Ta­sche auf­ge­zo­gen wurde unter dem Schutz einer gro­ßen Brief­ta­sche. Al­ler­dings ließ die gute Frau so­fort die Fin­ger von mei­ner Ta­sche als ich mich ab­rupt um­dreh­te und ihr auf die Füße ge­stie­gen bin. Jede an­de­re hätte mich auf­ge­bracht be­schimpft ob mei­ner tram­pe­li­gen Art. Sie je­doch zog sich nur vor­sich­tig zu­rück. Hatte ich sie also rich­tig iden­ti­fi­ziert. Ja, es wird nie lang­wei­lig.

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5 Tage Buenos Aires – Sehenswürdigkeiten

Bue­nos Aires … und die Welt ist in Ord­nung. Zu­min­dest für mich. Eine Stadt, in der ich nicht nur Tage, son­dern ver­mut­lich auch Mo­na­te ver­brin­gen könn­te. Eine Stadt zum Wohl­füh­len, fast eu­ro­pä­isch an­mu­tend in man­chen Ecken und doch wie­der ty­pisch süd­ame­ri­ka­nisch.

Von mei­nem Bed & Bre­ak­fast ‚La Otra Oril­la‘ im Stadt­teil Pa­ler­mo Viejo aus er­kun­de ich die Stadt. Vie­les geht mit der Metro, die hier ‚Subte‘ heißt, aber nicht alles. Und da es mir zu stres­sig ist, mich mit dem Bus­sys­tem ver­traut zu ma­chen, bin ich viel zu Fuß un­ter­wegs – und sehe so um so mehr.

Bue­nos Aires ist eine sehr ent­spann­te Groß­stadt. Keine Hek­tik – trotz der Größe. Im­mer­hin woh­nen 13 Mil­lio­nen Leute hier, das ist ein Drit­tel aller Ar­gen­ti­ni­er. Kein Wun­der, daß der Rest des Lan­des in man­chen Tei­len ein­fach nur leer ist. Und doch – mein Sprung von Mon­te­vi­deo nach Bue­nos Aires ist spür­bar. An­ge­fan­gen na­tür­lich schon damit, daß Mon­te­vi­deo nur 10 % der Ein­woh­ner von Bue­nos Aires hat, ist hier in Bue­nos Aires alles ein biß­chen groß­städ­ti­scher, welt­ge­wand­ter und ja, auch ar­ro­gan­ter. Die of­fe­ne, fast schon über­schäu­men­de Net­tig­keit der Uru­gu­ay­os fehlt mir.

Und so strei­fe ich durch die Bar­ri­os von Bue­nos Aires. Was alles an­schau­en? Die Aus­wahl ist so viel­fäl­tig, daß ich nur einen Bruch­teil der Stadt er­kun­den kann. Und so über­las­se ich es dem Zu­fall, wohin mich meine Füße tra­gen. Ich laufe durch die hip­pen Bar­ri­os von San Telmo, Re­cole­ta und Pa­ler­mo, die ge­schäf­ti­ge Ecke Re­ti­ro, durch das Par­la­ments­vier­tel und na­tür­lich das Mi­cro­cen­tro mit dem Prä­si­den­ten­pa­last.

Pa­ler­mo mit sei­nen vie­len Bou­ti­quen, klei­nen Ge­schäf­ten, Bars, Cafés und klei­nen Re­stau­rants hat es mir an­ge­tan. Auf mei­nem Bum­mel durch San Telmo über­kommt mich der Hun­ger und ich kehre in der nächs­ten Knei­pe an der Ecke, dem ‚El Fe­deral‘, ein. Tref­fer, wie ich nach­her im Rei­se­füh­rer lese, ist es doch eine In­sti­tu­ti­on des Bar­ri­os. Es ist eine der so­ge­nann­ten ‚bares no­ta­bles‘ (be­mer­kens­wer­te Bar) und seit 1864 in Be­trieb. Ich trete durch die Tür und fühle mich in die erste Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts zu­rück­ver­setzt. Eine alte, kunst­voll ver­zier­te Holz­bar, der Mo­sa­ik­fuß­bo­den noch ori­gi­nal, die Fla­schen in den Re­ga­len aus einem an­de­ren Leben – wenn die Wände doch reden könn­ten. Durch die Ver­ga­be des Ti­tels ‚bar no­ta­ble‘ hat Bue­nos Aires das ‚El Fe­deral‘ als Erbe der Porteño-Kul­tur an­er­kannt. Und so ist es na­tür­lich ein Tou­ris­ten­high­light. Aber an dem lang­sa­men Sams­tag nach­mit­tag be­fin­de ich mich al­lei­ne unter Porteños, wie sich die Ein­woh­ner von Bue­nos Aires nen­nen.

Eine der Haupt­se­hens­wür­dig­kei­ten soll die ‚Subte‘ Linie A sein. Auf der Linie A fah­ren noch die alten, ori­gi­na­len Holz-Wag­gons. Fens­ter sperr­an­gel­weit offen. Auch hier ist alles ent­spannt. Von der hek­ti­schen Metro in Paris, wo die Dreh­kreu­ze mit Hilfe von manns­ho­hen Türen gegen Schwarz­fah­rer ge­si­chert sind und doch nicht gegen diese an­kom­men, ist es ein wei­ter Weg bis hier­her nach Bue­nos Aires. Alte Holz­dreh­kreu­ze mit neuer Ma­gnet­kar­ten­tech­nik. Trotz­dem bin ich ein biß­chen ent­täuscht von die­ser als ‚Haupt­se­hens­wür­dig­keit‘ an­ge­pri­se­nen U-Bahn. 1913 in Be­trieb ge­nom­men, ist die Subte von Bue­nos Aires zwar die äl­tes­te U-Bahn von La­tein­ame­ri­ka, aber sie kann doch nicht mit den alten Ju­gend­stil-Sta­tio­nen der Metro in Paris mit­hal­ten. Aber die alten Holz­wag­gons haben schon ihren Charme.

Von dem Tea­tro Colon bin ich da­ge­gen un­ein­ge­schränkt be­geis­tert. Es wurde am 25. Mai 1908 nach fast 20 Jah­ren Bau­zeit mit der Oper Aida von Gui­sep­pe Verdi er­öff­net. Es ist eines der größ­ten und auch be­rühm­tes­ten Opern­häu­ser der Welt. Und im Mo­ment eine Au­gen­wei­de, denn nach 4 Jah­ren grund­le­gen­der Re­no­vie­rung wurde es am 24. Mai 2010, zur 200-Jahr-Fei­er der ar­gen­ti­ni­schen Un­ab­hän­gig­keits­be­we­gung, wie­der­er­öff­net. Ich er­gat­te­re eines der be­gehr­ten Ti­ckets für eine Füh­rung. Schlan­ge ste­hen ist an­ge­sagt. und teuer sind die Ti­ckets. Nicht für Ar­gen­ti­ni­er, aber für uns Aus­län­der. Ich be­zah­le mal wie­der den 3-fa­chen Preis. Trotz­dem, das Ge­bäu­de ist eine Wucht! Lei­der nur sind Pro­ben für die nächs­te Pre­mie­re in Gang und so sehen wir das Au­di­to­ri­um nur ohne Licht.

 

 

 

 

 

Am Sams­tag führt mich mein Weg zum ‚Con­gre­so‘, dem Par­la­ment von Ar­gen­ti­ni­en. Ein be­ein­dru­cken­des Ge­bäu­de. Mei­nem Rei­se­füh­rer zu­fol­ge ist es das im­po­san­tes­te Ge­bäu­de von Bue­nos Aires. Das mag wohl sein. Doch je län­ger ich es mir an­schaue, desto in­ter­na­tio­na­ler wird es. Im grie­chisch-rö­mi­schen Stil, aus ar­gen­ti­ni­schem Gra­nit er­baut durch einen fran­zö­si­schen Ar­chi­tek­ten, äh­nelt es mit sei­ner Kup­pel dem U.S. Ca­pi­tol und der zen­tra­le Gie­bel ist mit einer Qua­dri­ga ge­krönt, die stark an das Bran­den­bur­ger Tor in Ber­lin er­in­nert. Wer weiß was sonst noch alles an Ideen ge­klaut wurde? Der ‚Con­gre­so‘ ist ein Bei­spiel par ex­cel­lence für die selbst­be­wuß­te Art der Ar­gen­ti­ni­er ar­chi­tek­to­ni­sche Ele­men­te der be­rühm­tes­ten Ge­bäu­de der Welt in an­de­rem Zu­sam­men­hang neu zu in­ter­pre­tie­ren.

Auf mei­nem Rück­weg zur Ka­the­dra­le – die üb­ri­gens von außen wie ein grie­chi­scher Tem­pel und nicht wie eine Ka­the­dra­le aus­sieht – stol­pe­re ich über einen Folk­lo­reum­zug. Die in Ar­gen­ti­ni­en le­ben­den Bo­li­via­ner sind in ihrem Ele­ment. Wäh­rend ich in der knal­len­den Sonne schwit­ze, tan­zen sie in ihren Trach­ten durch die Stra­ße. Die Män­ner in mir teils skur­ril an­mu­ten­den Kos­tü­men, Mas­ken je­doch auf­grund der Hitze viel­fach in der Hand ge­hal­ten an­statt auf­ge­setzt. Die Frau­en tan­zen ent­we­der in war­men Trach­ten aus dem Hoch­land der An­den­re­gi­on oder in den knap­pes­ten Röck­chen über­haupt – und das bei den rund­li­chen, wohl­ge­nähr­ten Fi­gu­ren!

Durch Zu­fall sehe ich, daß die ‚Casa Ro­s­a­da‘ am Wo­chen­en­de be­sich­tigt wer­den kann. So stel­le ich mich wie­der in eine Schlan­ge und warte ge­dul­dig, bis ich mit der über­nächs­ten Füh­rung in die hei­li­gen Hal­len des Prä­si­den­ten­pa­las­tes ge­führt werde. Das ist ver­gleich­bar mit einem Be­such von Schloß Bel­le­vue in Ber­lin.

Al­ler­dings wohnt der ar­gen­ti­ni­sche Prä­si­dent – der ak­tu­ell eine Frau, Cris­ti­na de Fer­nan­dez de Kirch­ner, ist –  nicht in der Casa Ro­s­a­da; es ist nur sein reprta­ti­ver Ar­beits­sitz. Lei­der darf ich den Bal­kon auf dem Evita Peron ihre Reden hielt – und Ma­don­na ihren Film ‚Evita dreh­te – nicht be­tre­ten.

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Asche auf mein Haupt

Und schon wie­der lasse ich ta­ge­lang nichts von mir hören. 5 Tage Bue­nos Aires und noch kein Kom­men­tar. Ich habe den Ar­ti­kel ja in Ar­beit, aber noch ist er nicht fer­tig. Be­sich­ti­gung von Bue­nos Aires und Rei­se­pla­nung für meine nächs­ten Rei­se­zie­le haben ein­fach meine Zeit zu sehr in An­spruch ge­nom­men. Asche auf mein Haupt. Und das nicht nur so­zu­sa­gen son­dern in­zwi­schen tat­säch­lich. Seit ges­tern schwebt hier eine Asche­wol­ke des chi­le­ni­schen Vul­kans Puy­e­hue über Bue­nos Aires, Mon­te­vi­deo, Cor­do­ba und ei­ni­gen an­de­ren Städ­ten. Ei­gent­lich han­delt es sich um ab­ge­la­ger­te Vul­kan­asche, die aber von star­ken Win­den in Pa­ta­go­ni­en auf­ge­wir­belt und bis nach Bue­nos Aires ge­tra­gen wird. Und so fiel die Sicht Sonn­tag­nach­mit­tag in Bue­nos Aires auf 6,2 Ki­lo­me­ter. Als Fuß­gän­ger noch er­träg­lich, aber ein KO-Kri­te­ri­um für Flug­zeu­ge. Nicht nur fie­len und fal­len viele Flüge aus – ich zit­te­re um mei­nen Flug am 23.10. von Men­do­za nach San­tia­go de Chile, denn von dort will ich ja 2 Tage spä­ter wei­ter auf die Os­ter­in­seln flie­gen – auch war in Bue­nos Aires ges­tern Ta­xi-Engpaß. Und was für einer! Sonn­tags und dann Asche. Wer auf die Stra­ße muss­te, nahm sich ein Taxi.

Ich habe ges­tern Nacht den Bus von Bue­nos Aires nach Cor­do­ba ge­nom­men und woll­te um 20:15 Uhr zum Bus­bahn­hof per Taxi. Und das Taxi kam und kam nicht. Ob­wohl Stun­den vor­her vor­be­stellt. In mei­nem Bed & Bre­ak­fast hing der Re­zep­tio­nist eine ge­schla­ge­ne Stun­de am Te­le­fon um ein Taxi für mich auf­zu­trei­ben. Und dann klapp­te es doch noch. Mit 20 Mi­nu­ten Zeit bis zur Ab­fahrt des Bus­ses war ich dann am Bus­bahn­hof und konn­te in Ruhe die Platt­form su­chen, von der aus mein Bus ab­fuhr. Im­mer­hin gibt es davon ja 75 am Bus­bahn­hof Re­ti­ro in Bue­nos Aires. Und wie gut, daß ich immer mit so­viel Zeit­re­ser­ve plane. Das war ges­tern de­fi­ni­tiv von Vor­teil, denn sonst wäre der Bus ohne mich ge­fah­ren.

Und heute mor­gen wurde ich auch in Cor­do­ba dann von einer fei­nen grau­en Asche­schicht auf den Autos be­grüßt. Und die Kell­ner wi­schen stän­dig die Ti­sche ab, damit nicht alles so stau­big aus­sieht …

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Die Leiden eines Travellers ohne Laptop….

… sind nicht zu un­ter­schät­zen. Ich bin heute Mit­tag in mei­nem net­ten Bed & Bre­ak­fast in Bue­nos Aires an­ge­kom­men. Mein Zim­mer, die ‚ha­bita­ci­on blan­ca‘ ist nett, aber win­zig, nur mit schma­lem Bett und etwas spar­ta­nisch ein­ge­rich­tet. Dafür, daß ich 50 US$ be­zah­le, habe ich mehr er­war­tet. Trotz­dem werde ich mich die nächs­ten 5 Tage hier wohl füh­len. Mit­ten in Pa­ler­mo Viejo ge­le­gen, wohne ich in einer net­ten Ge­gend von Bue­nos Aires. Mit vie­len klei­nen Bou­ti­quen, Re­stau­rants und Knei­pen. Die Stadt ge­fällt mir auf An­hieb, schon al­lei­ne durch die vie­len Ko­lo­ni­al­bau­ten, die hier in Bue­nos Aires zu fin­den sind. Nur ein In­ter­net­ca­fe habe ich noch nicht ent­deckt. Und das muß ich drin­gend aus­fin­dig ma­chen. Meine an­fäng­li­che Freu­de, daß im Bed & Bre­ak­fast ein PC steht, hat sich näm­lich sehr schnell in Agres­si­on ge­wan­delt. Ein Blick auf den PC hätte mir sagen müs­sen: ‚Schal­te den PC erst gar nicht an!‘ Aber ich habe es doch getan. Und so wurde be­reits das Schrei­ben mei­ner ers­ten Email eine Ka­ta­stro­phe; der PC ist schne­cken­lang­sam. Ich warte ge­schla­ge­ne 3 Mi­nu­ten, bevor über­haupt die ge­schrie­be­nen Worte auf dem Bild­schirm auf­tau­chen. Ir­gend­wie er­in­nert es mich an mei­nen ers­ten PC, den ich mir zu Stu­di­en­zei­ten ge­leis­tet habe. Und ver­mut­lich ist die­ses Mo­dell hier auch be­reits 20 Jahre alt – so mit Flop­py-Disk-Lauf­werk und allen Schi­ka­nen, die da­mals in waren.

Und so gebe ich für heute meine guten Vor­sät­ze, einen wei­te­ren Ar­ti­kel zu schrei­ben und Bil­der hoch­zu­la­den, auf. Denn das würde noch die ganze nächs­te Woche dau­ern. Und so lange werde ich gar nicht in Bue­nos Aires blei­ben.

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12. Oktober

Co­lo­nia – die Wet­ter­geis­ter haben ein Ein­se­hen mit mir und am zwei­ten Tag scheint die Sonne. Nun sieht die Welt gleich wie­der viel freund­li­cher aus. Ob­wohl Co­lo­nia auch ohne Sonne ein net­tes klei­nes Ko­lo­ni­al­städt­chen ist. Von den Por­tu­gie­sen ge­grün­det, lange um­kämpft mit den Spa­ni­ern und heute ver­tei­digt Co­lo­nia sei­nen Charme tap­fer gegen die aus Bue­nos Aires ein­fal­len­den Tou­ris­ten. Bou­ti­quen, Miet­wa­gen­flot­ten, Sou­ve­nir­ge­schäf­te, nette Ho­tels in re­no­vier­ten Ko­lo­ni­al­bau­ten und na­tür­lich ge­sal­ze­ne Prei­se. So leis­te ich mir dies­mal ein Dorm­bett im Hos­tel. Noch ist Ne­ben­sai­son und ich kann den Ort in Ruhe ge­nie­ßen. Re­stau­rants und Cafes sind nur halb­voll. Ich möch­te nicht wis­sen, was hier in der Haupt­sai­son los ist.

Am nächs­ten Mor­gen nehme ich die Fähre von Co­lo­nia nach Bue­nos Aires. Ein Zeit und Raum­sprung. Von Uru­gu­ay nach Ar­gen­ti­ni­en. Die Fähre fährt um 10:30 Uhr in Co­lo­nia ab und um die glei­che Uhr­zeit komme ich auch in Bue­nos Aires an. In­ner­halb von 14 Tagen habe ich mich nun durch 4 ver­schie­de­ne Zeit­zo­nen be­wegt: Peru -7 Stun­den, Bra­si­li­en -5 Stun­den, Uru­gu­ay -4 Stun­den und Ar­gen­ti­ni­en wie­der -5 Stun­den im Ver­gleich zu Deutsch­land. Da wird einem ganz schwin­de­lig bei. Zu allem Über­fluß ver­mis­se ich an mei­ner Uhr seit Peru einen Ein­stell­knopf. Ver­lo­ren. Da­durch läßt sich die Zeit nicht mehr um­stel­len. So lebt meine Uhr noch in der Pe­ru-Zeit – und ich übe ein biß­chen Kopf­rech­nen jeden Tag. Auch nicht ver­kehrt, denn sonst stau­ben meine grau­en Ge­hirn­zel­len ja noch ein.

Und wäh­rend ich heute Nach­mit­tag die ers­ten Er­kun­dungs­schrit­te am 12. Ok­to­ber 2011 in Bue­nos Aires mache, ver­ge­gen­wär­ti­ge ich mir, daß heute vor 519 Jah­ren Chris­toph Ko­lum­bus Ame­ri­ka ent­deckt hat. Nur woll­te Ko­lum­bus ei­gent­lich den See­weg nach In­di­en fin­den. Der Arme er­fuhr bis zu sei­nem Tod nicht, daß er nicht an die Ost­küs­te Asi­ens ge­langt war, son­dern einen neuen Kon­ti­nent ent­deckt hatte, Ame­ri­ka.

Für die In­di­os in Ame­ri­ka fängt ein paar Jahre nach der Ent­de­ckung des Kon­ti­nents durch Ko­lum­bus eine Zeit des Lei­dens an. Er­obe­rer wie Cor­tez und Pi­zar­ro ma­chen sich auf den weg nach Ame­ri­ka, um das Land zu er­for­schen, wie sie in ihrer spa­ni­schen Hei­mat er­zäh­len. Doch ihr In­ter­es­se gilt nicht der im­men­sen Kul­tur- und Pflan­zen­viel­falt, die die­ser Kon­ti­nent birgt, son­dern nur dem Gold und Sil­ber. Sie rau­ben, zer­stö­ren sa­gen­haf­te Schät­ze der Inkas und Az­te­ken, ver­skla­ven Men­schen. Am Ende über­lebt nur ein Bruch­teil der 50 Mil­lio­nen Ur­ein­woh­ner La­tein­ame­ri­kas die spa­ni­sche Herr­schaft, die 300 Jahre an­dau­ert – und die am 12. Ok­to­ber 1492 be­gann. An einem Tag, als die Ein­ge­bo­re­nen Chris­toph Ko­lum­bus und seine Män­ner fried­lich und freund­lich be­grüß­ten.

Ar­gen­ti­ni­en, so lerne ich aus mei­nem Rei­se­füh­rer, kommt vom la­tei­ni­schen Wort für Sil­ber – ar­gen­tum – und lie­fert einen Hin­weis dar­auf, wel­che Schät­ze die Er­obe­rer auf sei­nem Ter­ri­to­ri­um zu fin­den glaub­ten.

5 Tage habe ich erst mal ein­ge­plant um Bue­nos Aires zu er­kun­den. Ich bin ge­spannt auf die Ar­gen­ti­ni­er, die einer ihrer be­kann­ten Au­to­ren – Jorge Luis Bor­ges – als ‚Ita­lie­ner, die Spa­nisch spre­chen und gerne Eng­län­der wären, die glau­ben, in Paris zu leben‘ be­zeich­net hat. – Und ich dach­te ich bin in Süd­ame­ri­ka und nicht in Eu­ro­pa.

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Uruguay – Schneckenfluß oder Fluß der bunten Vögel

So ganz einig ist man sich mit der Be­deu­tung von ‚Uru­gu­ay‘, das aus der Spra­che der Gua­ra­ni kommt, nicht. ‚Schne­cken­fluß‘, ‚Fluss des Ur­u­lan­des‘, ‚Fluß der bun­ten Vögel‘ oder doch ‚Fluß der Es­sens­brin­ger‘? Was denn jetzt? Aber egal wie, Uru­gu­ay fei­ert ge­ra­de 200 Jahre Unabhän­gig­keit von der spa­ni­schen Ober­herr­schaft. In Mon­te­vi­deo ste­hen 3 Tage Fes­ti­val an. Ich bin zwar vor den ei­gent­li­chen Fest­ta­gen wei­ter nach Co­lo­nia ge­fah­ren,

 

 

 

 

habe aber die Tage zuvor die Pro­ben der welt­be­rühm­ten ka­ta­la­ni­schen Thea­ter­grup­pe ‚La Fura dels Baus‘ auf der Plaza de In­de­pen­den­cia in Mon­te­vi­deo haut­nah mit­er­lebt. Ges­tern Nacht war Ge­ne­ral­pro­be der Per­for­mance­künst­ler, die in luf­ti­ger Höhe von Krä­nen her­ab­hän­gend ihre Frei­luft-Auf­füh­run­gen prä­sen­tie­ren. Oder per Seil an der Front eines Hoch­hau­ses zu Musik her­un­ter­tan­zen. Ein­fach un­glaub­lich! Und sehr span­nend über meh­re­re Tage hin­weg die auf­ein­an­der auf­bau­en­den Pro­ben auf dem Boden und in der Luft zu ver­fol­gen.

Die Pro­ben von ‚La Fura dels Baus‘ auf YouTube
– bi­cen­te­n­a­rio del Uru­gu­ay sober­a­no : 3,
– En­sa­yan­do el día antes de los Fes­te­jos del Bi­cen­te­n­a­rio
,
La fura dels Baus / En­sayo 1 (Plaza In­de­pen­den­cia, Mon­te­vi­deo) .

Nach 3 Mo­na­ten Peru ist Mon­te­vi­deo ein will­kom­me­ner Ge­gen­satz. Mo­der­ne Groß­stadt, häß­li­che Hoch­häu­ser, her­un­ter­ge­kom­me­ne Stra­ßen neben Ko­lo­ni­al­bau­ten, Bis­tros und Re­stau­rants mit einem Hauch ita­lie­ni­schem Flair, nette Plät­ze und Grün­an­la­gen, re­lax­te, of­fe­ne und sehr kon­takt­freu­di­ge Men­schen. We­ni­ger freund­lich ist al­ler­dings das Wet­ter. Ich komme bei Regen an und das Wet­ter bes­sert sich kaum. Star­ker Wind peitscht den Regen fast waa­ge­recht durch die Häu­ser­schluch­ten, auf den Stra­ßen Re­gen­schirm­lei­chen. Ich komme mir mit dem flie­gen­den Regen fast vor wie in Nord­deutsch­land. Nun, Mon­te­vi­deo liegt ja auch am Ant­lan­tik.

So hal­ten sich meine Er­kun­dungs­gän­ge in der Stadt in Gren­zen. Ich habe auf jeden Fall die Markt­hal­le und den Hafen ver­passt. Wie­der ein Punkt für meine ‚was-ist-ein-an­de­res-Mal-an­zu­se­hen-Lis­te‘.

In all dem mo­der­nen Flair der Stadt ma­chen die Leute kei­nes­falls den Ein­druck, daß ihnen das Wort ‚Hek­tik‘ be­kannt vor­kom­men würde. Es geht ge­ruh­sam zu. Män­ner, aber auch Frau­en, tra­gen Ther­mos­kan­nen zärt­lich wie ein Baby unter dem Arm und den Ma­te­tee-Be­cher mit Trink­halm in der Hand. Hei­ßes Was­ser gibt es an allen Ecken für ein paar Cen­ti­mos zu kau­fen. Und trifft man sich zu­fäl­lig auf der Stra­ße mit Freun­den, wird der Be­cher frisch auf­ge­gos­sen und jeder nippt mal an der ‚In­fu­si­on‘. Alles an­de­re kann war­ten.

Zwi­schen Autos und Bus­sen geben Pfer­de­kut­schen, mehr­heit­lich mit Müll­sä­cken be­la­den, den Takt an. Es wäre aber ein Irr­tum die Pfer­de­kut­schen für die städ­ti­sche Müll­ab­fuhr zu hal­ten. Die meist recht ver­we­gen aus­se­hen­den Kut­scher mögen sich zwar durch die Müll­ton­nen wüh­len, neh­men aber nur einen Teil von derem In­halt mit: Glas, Pa­pier, Pappe, Plas­tik – sprich alles ir­gend­wie ver­wert- und ver­kauf­ba­re. Bei uns nennt man sowas Müll­tren­nung.

Die Ori­en­tie­rung fällt mir im Stadt­zen­trum von Mon­te­vi­deo in den mehr­heit­lich im Schach­brett­mus­ter an­ge­leg­ten Stra­ßen leicht. Nur beim Über­que­ren der Stra­ßen bin ich erst mal ir­ri­tiert. Wo sind die Am­pel­männ­chen hin? Ich stel­le fest, es gibt keine Fuß­gän­ger­am­peln. Die Am­peln für die Au­to­fah­rer ste­hen nicht wie bei uns vor, son­dern hin­ter der Kreu­zung. Und so ori­en­tie­ren sich auch die Fuß­gän­ger an den Au­to­am­peln.

Mein ‚Hotel Sple­ndi­do‘ – das so ganz und gar nicht sple­ndi­do aber dafür zen­tral und bil­lig ist – liegt di­rekt in der Par­ty­stra­ße der Alt­stadt von Mon­te­vi­deo. Gleich am ers­ten Abend wechs­le ich noch das Zim­mer, denn hier in Mon­te­vi­deo geht es erst nach Mit­ter­nacht so rich­tig los mit dem Fei­ern. Nun, wen wun­derts wenn das Abend­es­sen in Uru­gu­ay auch erst gegen 21 Uhr auf den Tisch kommt. Und Mit­tag­es­sen gibts im Re­stau­rant bis 16 Uhr. Mein Magen ist ob der un­ge­wohn­ten Zei­ten etwas un­ge­hal­ten. Aber an­de­rer­seits ist nach Mo­na­ten ‚roter Salsa ‚hier wie­der ‚Heinz-Ketch­up‘-Land. Alles kann man eben nicht haben.

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Bus fahren

Au­to­fah­ren ist me­ga-un­cool wie ich in stern.​de ge­le­sen habe; der ur­ba­ne Trend­set­ter unter 40 Jah­ren fährt Bus. Nun, ich bin weder unter 40 noch urban un­ter­wegs. Bin ich trotz­dem cool, nach­dem ich letz­te Woche so viel Zeit im Bus ver­bracht habe? Nein, ich lebe die la­tein­ame­ri­ka­ni­sche Rea­li­tät. Prak­tisch keine Züge. In­ner­la­tein­ame­ri­ka­ni­sche Flug­ver­bin­dun­gen nicht ganz bil­lig. In­lands­flug­ver­bin­dun­gen deut­lich bil­li­ger, trotz­dem häu­fig keine Al­ter­na­ti­ve zu den kon­kur­renz­los güns­ti­gen Lang­stre­cken-Bus­ver­bin­dun­gen. Außer viel­leicht in Bra­si­li­en. Was sich aber noch nicht wirk­lich über­all her­um­ge­spro­chen hat. Ein Bra­si­lia­ner er­zählt mir, daß die Leute in die­sem rie­si­gen Land oft immer noch die Lang­stre­cken­bus­se mit Fahr­zei­ten über 24 Stun­den be­nut­zen, weil sie noch nicht rea­li­siert haben, daß ein In­lands­flug bil­li­ger sein kann.

Nach­dem mein Zeit-Geld-Bud­get die Stre­cke Cusco/Peru – Foz do Iguazú/Bra­si­li­en der Flug­va­ri­an­te den Vor­zug ge­ge­ben hat, bin ich nun wie­der mit dem Bus un­ter­wegs. 3 Nacht­fahr­ten in 5 Tagen. Man soll­te mei­nen das schlaucht. Nun, ich bin nicht so ganz aus­ge­schla­fen wie auf mei­nen Tou­ren um die Hu­ay­huash oder durch den Manu in Peru mit Zu­bett­geh­zei­ten um 20 Uhr. Aber ich habe mich ges­tern dabei er­tappt, daß ich über das ge­sam­te Ge­sicht grin­send mich im Bus zu­recht­ge­ku­schelt habe und vol­ler Vor­freu­de auf die Fahrt war. Und auf den neuen Ort, an dem mich der Bus am nächs­ten Mor­gen aus­spu­cken würde. Schon die ers­ten Ein­drü­cke am Mor­gen: Wie sieht der Bus­bahn­hof aus? Groß, klein, ent­spannt oder hek­tisch, über­füllt und chao­tisch? Al­lei­ne die Toi­let­ten auf den Bus­bahn­hö­fen sagen viel über Land und Leute aus. Oder über das ge­wählt Bus­un­ter­neh­men.

Un­er­läss­li­ches Equip­ment: IPod, Rei­se­kis­sen, Oro­pax und je nach Land und Bus­li­nie warme Kla­mot­ten. Und Ver­pfle­gung.

‚Steigt ein Fahr­gast in einen Rei­se­bus ein. In der einen Hand eine Tüte Pom­mes, in der an­de­ren Hand eine Cur­ry­wurst. Dar­auf­hin stoppt ihn der Bus­fah­rer mit den Wor­ten: He, der Bus ist doch kein Spei­se­wa­gen! Ant­wor­tet der Fahr­gast: Weiß ich doch, des­halb hab‘ ich ja mein Essen selbst mit­ge­bracht!‘ – Tja, wenn das mit den Toi­let­ten manch­mal auch so ein­fach wäre.

Und da ich ge­ra­de beim Bus­fah­ren war – im üb­ri­gen im com­for­ta­blen VIP-Bus auf der Stre­cke Porto Aleg­re/Bra­si­li­en nach Mon­te­vi­deo/Uru­gu­ay in 12 Stun­den – habe ich in Ge­dan­ken meine Bus­fahr­ten in den letz­ten Mo­na­ten Revue pas­sie­ren las­sen.

VIP-Bus­se – das non-plus-ul­tra
… oder: bes­ser als ein Flug in der Eco­no­my-Klas­se. Meine Bus­fah­ren Lang­stre­cke durch die Nacht (man kann sie sich als ‚Lang­stre­cken­nacht­com­fort­bus­fahr­t­en‘ auf der Zunge zer­ge­hen las­sen) in Me­xi­ko und Peru waren si­cher­lich die be­quems­ten. Un­men­gen von Platz mit nur 3 brei­ten, be­que­men Sit­zen in einer Reihe und weit zu­rück­stell­ba­ren Sitz­leh­nen; Ste­war­dess, Decke, Kopf­kis­sen und Ver­pfle­gung – mit ve­ge­ta­ri­scher Op­ti­on – in­klu­si­ve. Was will man mehr? Nun, den län­ge­ren Fuß­raum in den bra­si­lia­ni­schen Bus­sen. Die pe­rua­ni­schen Busse sind wohl auf die pe­rua­ni­sche Be­völ­ke­rung und nicht die Aus­län­der an­ge­passt.

Herz­still­stand-Bus­se
Am auf­re­gends­ten war si­cher­lich die Stre­cke von Cusco aus in den Manú-Na­tio­nal­park und re­tour. Ein­spu­rig mit Ge­gen­ver­kehr, Schot­ter­pis­te, aus­gie­bi­ge Tief­bli­cke in Schluch­ten und Berg­tä­ler mit Mo­men­ten des Luft­an­hal­tens wäh­rend sich der Bus schwan­kend um Kur­ven ma­nö­vriert. Aber was be­schwe­re ich mich. Ich habe ja noch nicht mal einen öf­fent­li­chen Bus be­nutzt. Das wäre erst ein Spaß ge­we­sen.

Ein Bus – eine Schne­cke
Am lang­sam­ten meine Fahrt mit dem Chi­cken­bus – einem aus­ran­gier­ten Schul­bus aus den USA – in Ni­ca­ra­gua auf der kur­zen Stre­cke von Gra­na­da nach San Juan de Ori­en­te. Der Bus kam ja über eine Ge­schwin­dig­keit von 30 km/h nicht hin­aus. Er schep­per­te, klap­per­te und rüt­tel­te – und stand kurz vor dem Aus­ein­an­der­fal­len.

Der Bus, dem ich fast den Hals um­ge­dreht hätte
… oder war es doch der Bus­fah­rer? Wenn ich ihn denn er­wischt hätte! Aber er hat mich ja bei der Grenz­über­que­rung Be­li­ze/Me­xi­ko trotz ge­gen­tei­li­ger Ver­spre­chen ein­fach hin­ter der Gren­ze in Me­xi­ko ste­hen las­sen.

Die ku­sche­ligs­te Bus­fahrt
… hatte ich si­cher­lich in Ni­ca­ra­gua auf der Rück­fahrt vom Zoo nach Gra­na­da. Bei 35 Grad in einem Collec­tivo-Mi­ni­bus eng­ge­drängt mit 30 an­de­ren Pas­sa­gie­ren. Ei­gent­lich gab es nur 15 Sitze, oder? Puh!

Bus­hal­te­stel­len im Nir­gend­wo
Sich an den Stra­ßen­rand stel­len und per Wink­zei­chen den nächs­ten Bus stop­pen. Klei­ne Aben­teu­er in Ni­ca­ra­gua, Be­li­ze, Peru. Hatte mich ja manch­mal in La­tein­ame­ri­ka ge­fragt: Wo gehen die Leute hin, wenn sie mit­ten im Nir­gend­wo aus­stei­gen und wo kom­men die Leute her, die mit­ten im Nir­gend­wo in den Bus zu­stei­gen? Kein Haus weit und breit war zu sehen. Bis ich dann sel­ber in der Pampa aus- und ein­ge­stie­gen bin. Den Bus stop­pen ‚kurz vor der Zoll­brü­cke, hin­ter der roten Mauer‘, an der ‚Zu­fahrt zum Zoo‘ oder eben an einer be­stimm­ten Stra­ßen­kreu­zung um in den nächs­ten Bus um­zu­stei­gen. Bus­hal­te­stel­len? Fehl­an­zei­ge.

Und ich er­in­ne­re mich an eine Bus­fahrt vor Jah­ren in Bo­li­vi­en als wir an einer Stra­ßen­kreu­zung im Nir­gend­wo aus dem einen Bus aus­stie­gen um den nächs­ten Bus nach Co­paca­ba­na am Tit­ca­ca­see ab­zu­pas­sen. Und der an­geb­lich alle Stun­de fah­ren­de Bus kam nicht und kam nicht. Ein Tru­cker nahm uns da­mals mit, denn sonst wür­den wir ver­mut­lich heute noch dort war­ten …

Die teu­ers­ten Busse
… fah­ren si­cher­lich in Bra­si­li­en.

Den tro­ckens­ten Bus
… habe ich erst kürz­lich in Foz do Iguazú auf dem Weg zum Itai­pu-Stau­damm ge­nos­sen als es Was­ser vom Him­mel schüt­te­te und ich tro­cken im Bus saß. Die klei­nen Freu­den des Le­bens!

Un­be­que­me Busse
… gibt es in La­tein­ame­ri­ka ohne Ende. Mehr in Zen­tral­ame­ri­ka und we­ni­ger in Bra­si­li­en, Ar­gen­ti­ni­en und Chile. Den un­be­quems­ten Bus auf die­ser Reise hatte ich aus­ge­rech­net in der Schweiz Mit­tel­ame­ri­kas, in Costa Rica, auf dem Weg zu mei­nem Schild­krö­ten­pro­jekt ‚La Tor­tu­ga Feliz‘. Sitze so durch­ge­ses­sen, daß bei jedem Schlag­loch der Me­tall­rah­men zu spü­ren war. Soll­te ich mich freu­en, daß es in Costa Rica we­ni­ger Schlag­lö­cher gibt als in Bo­li­vi­en? Die Ab­stän­de zwi­schen den Bän­ken so eng, daß selbst ich meine Beine nicht un­ter­ge­bracht be­kom­men habe.

Und wenn sol­che Klei­nig­kei­ten nicht aus­rei­chen, dann sind si­cher­lich Lang­stre­cken­bus­se ohne Toi­let­te die Krö­nung. Pin­keln nur auf Kom­man­do im Pulk so­bald der Bus stoppt – wenn er denn mal stoppt.

Busse ohne Frei­heit
… wer­den in Cuba ver­ab­reicht. Die staat­li­che Bus­li­nie Via­zul ist Trumpf. Pünkt­lich und zu­ver­läs­sig, aber häu­fig im In­ne­ren recht dre­ckig. Keine Al­ter­na­ti­ven für uns Tou­ris­ten auf den Stre­cken, die Via­zul be­dient. Den Bus­fah­rern der an­de­ren Bus­li­ni­en wird eine hohe Geld­bu­ße auf­er­legt, soll­ten sie doch einen Tou­ris­ten mit­neh­men.

Bus­kampf oder Queu­eing
Auch wenn in Be­li­ze eng­lisch ge­spro­chen wird, hat das eng­lisch per­fek­tio­nier­te Queu­eing dort nicht ab­ge­färbt. El­len­bo­gen­ein­satz beim Kampf um einen Sitz­platz ist ge­fragt. Denn nur wer einen Sitz­platz er­gat­tert darf ab Bus­bahn­hof mit­fah­ren. Wie ent­spannt war es doch im spa­nisch­spra­chi­gen Ni­ca­ra­gua, wo eng­lisch per­fekt auf den Bus in Ma­nua­ga ge­war­tet wurde.

Eine Bus­fahrt zum Schlecht­wer­den
Selbst VIP-Bus­se schüt­zen nicht vor Ne­ben­wir­kun­gen. Im VIP-Bus von Cruz del Sur sind auf der kur­ven­träch­ti­gen Stre­cke Lima – Cusco – Lima reich­lich Spuk­tü­ten in­klu­si­ve im Ser­vice.  

Und wel­che Bus­fahrt hat mir bis­her am bes­ten ge­fal­len?
Spon­tan fällt mir da die Bus­fahrt in Be­li­ze von Be­li­ze City nach San Igna­cio ein. Chi­cken­bus. An des­sen Sit­zen be­reits aus­gie­big die Schaum­stoff­mons­ter ge­wü­tet haben. Re­lax­te Ra­eg­gae-Mu­sik. Alles Ge­päck lag di­rekt vor der hin­te­ren Tür im Bus, die zum Glück einen ner­vi­gen durch­drin­gen­den Hup­t­on von sich gab, wenn sie nicht rich­tig ge­schlos­sen war. 

Und was kommt noch?
Bus­fah­ren in Län­dern wie Ar­gen­ti­ni­en, Chile und Neu­see­land, die das Lang­stre­cken-Bus­fah­ren per­fek­tio­niert haben. Keine Aben­teu­er.

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Auf den Spuren der Jesuiten

Ich nehme den Bus von Foz do Iguaçu nach Santo An­ge­lo. Um­stei­gen in Cas­ca­vel ist an­ge­sagt, bevor es durch die Nacht nach Santo An­ge­lo geht. Ich ver­mis­se den VIP-Bus aus Peru. Auf die­ser Stre­cke fah­ren lei­der nur nor­ma­le Busse, auch wenn sich die Sitze re­la­tiv weit zu­rück­stel­len las­sen. Am nächs­ten Mor­gen um 7 Uhr ge­nie­ße ich dann das Bahn­hofs­bis­tro in Santo An­ge­lo, trin­ke einen Kaf­fee zum Auf­wa­chen und warte. 4 Stun­den spä­ter geht es wei­ter nach Sao Mi­guel das Missões. Im Hos­tel in Iguaçu schau­te man mich nur ko­misch an, als ich von mei­nem nächs­ten Ziel be­rich­tet habe. Sao Mi­guel – wo ist das?

Bei mei­ner An­kunft in Sao Mi­guel merke ich so­fort, daß ich mich ab­seits der üb­li­chen Back­pa­cker­pfa­de be­we­ge. Ich bin auf dem Land. Brei­te Stra­ßen, ver­streu­te Häu­ser, durch das Zen­trum von Sao Mi­guel bin ich durch­ge­lau­fen, bevor ich es als sol­ches iden­ti­fi­ziert habe. Meine Un­ter­kunft Pousa­da das Missões ist gleich um die Ecke von der Bus­hal­te­stel­le. Ju­gend­her­ber­ge, aber teuer, dafür eine sehr nette An­la­ge und ein Pool. Die Sonne scheint und ich bin etwas an­ge­schla­gen von der Nacht­fahrt. So be­schlie­ße ich, das Sight­see­ing auf mor­gen zu ver­ta­gen und den rest­li­chen Tag am Pool zu ver­brin­gen.

Ach, mein Zim­mer in der JuHe. Ein Raum mit 10 Bet­ten, zwei Du­schen und zwei Toi­let­ten ganz für mich al­lei­ne. Kein Ein­zel­zim­mer wie be­stellt? Es sei alles aus­ge­bucht wird mir er­zählt. Ich schaue mich um und sehe außer mir nie­man­den in der rie­si­gen An­la­ge. Aber 2 Bus­la­dun­gen vol­ler bra­si­lia­ni­scher Tou­ris­ten tru­deln dann kurz vor Mit­ter­nacht ein. Von be­schau­li­chem Land­le­ben ver­wan­delt sich die Ju­gend­her­ber­ge in­ner­halb von Se­kun­den in eine chao­tisch-lau­te Her­ber­ge. Ich mache mich schnells­tens aus dem Staub und stel­le mich unter die Du­sche bevor die Neu­an­kömm­lin­ge mir das warme Was­ser klau­en.

Am nächs­ten Mor­gen ist der Spuk ge­nau­so schnell vor­über. Ich gehe spät zum Früh­stück. Noch ist Tru­bel, aber da steht schon der bra­si­lia­ni­sche Rei­se­lei­ter in der Tür. Ein durch­drin­gen­des Tril­lern mit sei­ner Tril­ler­pfei­fe – mir fällt fast das Ohr ab – und schon ver­schwin­den alle im Bus. Ich tref­fe die Grup­pe wie­der als ich mich eine Stun­de spä­ter auf den Weg zur Je­sui­ten­rui­ne mache. Aber auch hier ist die Grup­pe ge­ra­de am Gehen und ich habe die Ruine dann prak­tisch für mich al­lei­ne.

Zwi­schen 1607 bis 1768 grün­de­ten die Je­sui­ten im Drei­län­der­eck Bra­si­li­en, Ar­gen­ti­ni­en und Pa­ra­gu­ay zu­sam­men mit den Gua­ra­ni-In­dia­nern viele Mis­sio­nen, die sog. Je­sui­ten­re­duk­tio­nen. Sao Mi­guel ge­hört seit 1983 zum Welt­kul­tur­er­be der UNESCO. Und so war ich neu­gie­rig auf die Ruine. Sie ge­fällt mir. Was mir we­ni­ger ge­fällt: Alle Er­klä­run­gen nur auf por­tu­gie­sisch. Auch bei der abend­li­chen Ton- und Licht­schau – Dau­nen­ja­cke, Mütze und Sitz­kis­sen sind will­kom­men – lasse ich Licht und Musik auf mich wir­ken und die Er­klä­run­gen in por­tu­gie­sisch ein­fach an mir vor­bei­zie­hen.

Sao Mi­guel ist so groß, daß selbst ich auf der Stra­ße ge­grüßt werde. Von Fuß­gän­gern und Au­to­fah­rern glei­cher­ma­ßen. Lau­fend kommt die neu­gie­ri­ge Frage nach mei­ner Her­kunft. Und er­staun­li­cher­wei­se spricht der ein oder an­de­re hier Deutsch. Hilf­reich, denn mit Spa­nisch und Eng­lisch komme ich hier nicht wei­ter und fühle mich manch­mal ein wenig sprach­los.

Am nächs­ten Mit­tag fahre ich dann zu­rück nach Santo An­ge­lo. Bum­me­le durch die Stadt, schaue mir die Ka­the­dra­le an, die auch auf dem Ge­län­de einer ehe­ma­li­gen Je­sui­ten­re­duk­ti­on steht. Die Ka­the­dra­le sieht aus wie neu ge­baut. Doch dann sehe ich, daß sie re­no­viert wurde und nur der neue An­strich die Ka­the­dra­le wie neu aus­se­hen läßt.

Viel gibt es in Santo An­ge­lo nicht zu er­le­ben. Ka­the­dra­le und Mu­se­um. Dann ver­brin­ge ich die Zeit ein wenig im In­ter­net­ca­fe bevor ich mei­nen Ruck­sack aus der Ge­päck­auf­be­wah­rung hole und auf den nächs­ten Bus warte, der mich dann über Nacht von Santo An­ge­lo nach Porto Aleg­re bringt.

Und so sitze ich ge­ra­de wie­der im In­ter­net in Porto Aleg­re. 15 Stun­den Auf­ent­halt in Porto Aleg­re, die ich mir ver­trei­ben muß, bevor es mit dem nächs­ten Nacht­bus nach Mon­te­vi­deo fahre. Ob ich wie­der so­vie­le Mit­rei­sen­den tref­fen werde, die große Kopf­kis­sen – be­vor­zugt mit Rü­schen­be­zug – mit auf die Bus­fahrt brin­gen wer­den?

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Das grosse Wasser von Iguaçu

So, hier mein Be­richt zu Iguaçu. Al­ler­dings wird ein Teil der Fotos nach­ge­reicht, da ich hier in Santo An­ge­lo im mo­der­nen In­ter­net­ca­fe kei­nen Zu­griff auf mei­nen Hard­d­ri­ve habe.
Ein Sprung von Cusco/Peru nach Foz do Iguaçu/Bra­si­li­en. Wie gut, daß es Flug­zeu­ge gibt, sonst hätte ich min­des­tens 4 volle Tage im Bus ver­bracht. Nach der gan­zen Bus- und Boots­fah­re­rei im Manú-Na­tio­nal­park hatte ich dar­auf nun wirk­lich keine Lust.
Ich habe mich in Foz do Iguaçu in einem ech­ten Hos­tel ein­quar­tiert. Die ers­ten bei­den Tage ist es eher ruhig, dann wird es voll und laut. Viele An­fang 20jäh­ri­ge, Tru­bel, Musik dröhnt bis nachts um 1 Uhr, Ge­schirr ist nach dem Essen sel­ber ab­zu­wa­schen. Aber lus­tig ist es. Und das Essen abends ist le­cker. Das Hos­tel ist ein biß­chen ab vom Schuß, aber ich bin in den letz­ten Tagen eine gute Bus­fah­re­rin ge­wor­den. Auch wenn es manch­mal etwas aben­teu­er­lich ist, da ich nicht so recht weiß, wel­che Stre­cke der Bus denn fährt.
Am ers­ten Tag gönne ich mir noch den Hos­tel­trans­fer. Ge­ra­de in Bra­si­li­en an­ge­kom­men, fahre ich auf die ar­gen­ti­ni­sche Seite der Iguazú-Was­ser­fäl­le. Hier ist man dem Was­ser ganz nah. Einer der Rund­we­ge führt ober­halb der Was­ser­fäl­le di­rekt an der Kante ent­lang. Unter mir rauscht das Was­ser unter dem Steg hin­durch und tost in die Tiefe. Der gua­ra­ni­sche Be­griff Iguaçu für gro­ßes Was­ser ist wirk­lich be­rech­tigt. Die Iguazú-Was­ser­fäl­le be­ste­hen aus 20 grö­ße­ren sowie 255 klei­ne­ren Was­ser­fäl­len auf einer Aus­deh­nung von 2,7 Ki­lo­me­tern. Ei­ni­ge sind bis zu 82 Meter, der Groß­teil ist 64 Meter hoch! Das muß man sich mal so alles vor­stel­len und ich be­kom­me es selbst beim An­se­hen nicht wirk­lich zu fas­sen.
Nas­ser Hö­he­punkt mei­ner Be­sich­ti­gung ist das Gar­gan­ta del Dia­blo (Teu­fels­schlund) ge­nann­te Was­ser­fall­sys­tem, wo das Was­ser u-för­mig in einer 150 Meter brei­ten und 700 Meter lan­gen Schlucht in die Tiefe stürzt. Die Was­ser­mas­sen don­nern ins Tal. Auf der Aus­sichts­platt­form am Teu­fels­schlund bin ich in kür­zes­ter Zeit durch­nässt. Immer wie­der kommt mir ein Schwall feins­ter Was­ser­tröpf­chen ent­ge­gen. Der Teu­fels­schlund ist vor lau­ter Was­ser­ne­bel kaum zu er­ken­nen. Ich würde am liebs­ten das Was­ser einen Mo­ment an­hal­ten um einen kom­plet­ten Über­blick zu be­kom­men. Was für ein Spek­ta­kel!
Und da ich nicht naß genug ge­wor­den bin, gönne ich mir noch eine Boots­fahrt am Fuß der Was­ser­fäl­le. Da geht es ganz dicht an die Was­ser­fäl­le ran, wir baden mit dem Boot sprich­wört­lich in dem her­ab­pras­seln­den Was­ser. Ge­ra­de hatte mich die Sonne wie­der ge­trock­net, un schon bin ich in­ner­halb von Se­kun­den wie­der klitsch­nass. Was für ein Er­leb­nis! Und wie gut, daß die Sonne auch am spä­ten Nach­mit­tag noch kräf­tig genug scheint, um mich schnell zu trock­nen.
Am nächs­ten Tag lasse ich es lang­sa­mer an­ge­hen. Erst be­sor­ge ich mir am Bus­bahn­hof ein Busti­cket für mei­nen nächs­ten Ziel­ort Santo An­ge­lo. Jede Bus­ge­sell­schaft hat hier ihren ei­ge­nen Schal­ter. Kei­ner hat den Über­blick, wie man am Bes­ten ir­gend­wo­hin kommt. Also heißt es sich durch­fra­gen. Ich kaufe mein Busti­cket bei der Bus­ge­sell­schaft Une­sul. Dort wird mir ver­si­chert, daß ich von Foz do Iguaçu aus kein Busti­cket für die Stre­cke Porto Aleg­re – Mon­te­vi­deo/Uru­gu­ay kau­fen kann. Das glau­be ich erst mal; stel­le aber abends im Hos­tel am In­ter­net fest, daß ei­gent­lich genau Une­sul als Agent für die Bus­ge­sell­schaft TTL auf­tritt und das von mir ge­wünsch­te Ti­cket ver­kau­fen müss­te. Bei mir im Hos­tel grin­sen sie nur und schla­gen mir vor, noch­mals zum Bus­bahn­hof zu gehen. Ein an­de­rer Schal­ter­be­am­ter könn­te ja mehr wis­sen.
Nach mei­ner Stip­vi­si­te beim Bus­bahn­hof fahre ich mit dem lo­ka­len Bus zu den Iguazú-Was­ser­fäl­len auf der bra­si­lia­ni­schen Seite. Teuer ist der Ein­tritt, dafür er­hal­te ich aber einen tol­len Pan­ora­ma­blick auf die Was­ser­fäl­le. Die Sonne scheint wie­der mit vol­ler Kraft und so stel­le ich mich ein wei­te­res Mal dem Sprüh­re­gen der Was­ser­fäl­le und laufe auf eine ex­po­nier­te Platt­form hin­aus. Ich bli­cke di­rekt in den Ab­grund und schwe­be so­zu­sa­gen über dem einem Was­ser­fall, habe gleich­zei­tig Blick auf Gar­gan­ta do Diabo (dies­mal in por­tu­gie­sisch), den Teu­fels­schlund. Und auch hin­ter mir rauscht auch ein Was­ser­fall hinab. Was für Was­ser­mas­sen sich hier be­we­gen. Ich bin be­geis­tert!
Nach zwei ab­so­lut tol­len Son­nen­ta­ge mit 36 Grad Hitze kommt der große Regen. Es wird kalt. Bib­ber, nur 16 Grad. Also nehme ich mir den Itai­pu Stau­damm vor. In einer Re­gen­pau­se mache ich mich auf den Weg zur Bus­hal­te­stel­le. Kaum bin ich an­ge­kom­men, kommt der nächs­te Re­gen­guß. Ich bin froh, daß ich wäh­rend der schlimms­ten Re­gen­güs­se im Bus sitze. Trotz­dem baut sich ge­spann­te Er­war­tung in mir auf. Der Bus rauscht die Stra­ßen ent­lang ohne Rück­sicht auf Ver­lus­te. Rie­sen-Was­ser­fon­tä­nen, die der Bus per­ma­nent ohne Rück­sicht auf Fuß­gän­ger hoch­spritzt. Die am Stra­ßen­rand par­ken­den Autos müs­sen nicht mehr in eine Wasch­an­la­ge. Aber manch­mal höre ich auch klei­ne Stein­chen pras­seln. Die armen Autos.
Das Was­ser das von oben kommt, muss ja ir­gend­wo­hin. Nur wohin? An vie­len Stel­len kann es nicht oder nicht schnell genug ab­flies­sen. Es steht knö­chel­hoch auf den Stra­ßen. Und wenn der Bus an der Bus­hal­te­stel­le an­hält haben die Leute ei­gent­lich nur die Wahl ent­we­der wei­ter mit­zu­fah­ren oder knö­chel­tief ins Was­ser zu stei­gen. Und so sind die Bänke in den Bus­hal­te­stel­len­häus­chen nicht mehr zum War­ten im Sit­zen da, son­dern man stellt sich auf die Bänke um keine nas­sen Fueße zu be­kom­men. Wie wird wohl meine Hal­te­stel­le aus­se­hen? Zum Glück habe ich am Itai­pu Damm keine sol­che Was­ser­hal­te­stel­le. Ich kann tro­cke­nen Fus­ses aus­stei­gen und mich unter einer Über­da­chung kurz ori­en­tie­ren, bevor ich durch den Regen zum Ein­gang des Kom­ple­xes sprin­te.
Der Damm ist der zweit­größ­te Stau­damm der Welt. Nur der 3-Schluch­ten-Stau­see in China ist noch grö­ßer. Aber hin­sicht­lich der Jah­res­ener­gie­pro­duk­ti­on hat Itai­pu wei­ter­hin die Nase vorne. Gut so, denn ich re­cher­chie­re hier auf schwä­bi­schen Spu­ren. Denn wer hat die erste Tur­bi­ne für das Kraft­werk ge­lie­fert, bevor die bra­si­lia­ni­sche Toch­ter­fir­ma dann die wei­te­ren Tur­bi­nen ge­baut hat? Ja­wohl, die Schwa­ben wa­rens: Voith in Hei­den­heim. Vor der Stau­damm­be­sich­ti­gung sehe ich mir einen kur­zen Film über den Itai­pu-Stau­damm an. Wenig Fak­ten, dafür viel Pro­pa­gan­da über Um­welt­schutz­pro­jek­te wird ge­zeigt. Kein Wort dar­über, daß ei­ni­ge Tau­send Ur­ein­woh­ner für immer ihre Hei­mat ver­lo­ren haben, ins­ge­samt etwa 40.000 Men­schen – vor allem Gua­ra­ni-In­dia­ner – um­ge­sie­delt wer­den muß­ten. Au­ßer­dem wur­den für die Er­rich­tung der Tal­sper­re auf der Gren­ze zwi­schen Pa­ra­gu­ay und Bra­si­li­en große Flä­chen sub­tro­pi­schen Re­gen­walds  ab­ge­holzt. Aber der Film er­zählt nur von den vie­len neu ge­pflanz­ten Bäu­men. Noch grö­ße­re Flä­chen an Wald ver­schwan­den in den Flu­ten eben­so wie auch die Was­ser­fäl­le Sete Que­das bei Guai­ra, die denen des Iguaçu na­he­zu eben­bür­tig ge­we­sen sind. So­viel zu sau­be­rer En­er­gie.
Im In­ne­ren des Stau­dam­mes be­stau­ne ich eine der rie­si­gen Tur­bi­nen, die ge­ra­de wegen War­tungs­ar­bei­ten aus­ein­an­der­ge­baut in der Tur­bi­nen­hal­le liegt. Wir wer­den in die Tie­fen des Dam­mes ge­führt und neh­men den Auf­zug in die Tiefe. Zei­gen Auf­zü­ge sonst Stock­wer­ke auf ihrer An­zei­gen­ta­fel an, so wer­den hier Meter ab Stau­dam­mo­ber­flä­che an­ge­ge­ben.
Der Stau­damm­be­such hat auch ein klei­nes Schman­kerl für mich: Ich kann nun be­haup­ten in Pa­ra­gu­ay ge­we­sen zu sein – auch wenn mein Paß keine Ein­tra­gung des Grenz­über­tritts hat.

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