Ob James Cook 1770 auf seiner ersten Reise entlang der Küste von Neuseeland vom Fjordland begeistert war? Ankerplätze gab es wenige und James Cook fand es angeblich mehr als zweifelhaft (doubtful) aufgrund der wechselnden Winde, ob es sinnvoll wäre in den Doubtful Sound hineinzufahren. Aber immerhin hat er ihn nicht komplett übersehen wie den Milford Sound.
Ich lasse den Doubtful Sound auf meiner Reise auch nicht aus und gönne mir eine Minikreuzfahrt mit Übernachtung auf der Fjordland Navigator. Die Abgeschiedenheit des Sounds machen eine Tour dorthin unvermeidlich teuer, aber dafür erwartet mich unberührte Natur. Und von allen Seiten wurde mir von dieser Tour bereits vorgeschwärmt. Ich bin gespannt!
Morgens fahren wir von Te Anau nach Manapouri. Von dort aus starten wir dann mittags mit dem Boot über den Lake Manapouri. Der Transfer bringt uns in einer knappen Stunde auf die andere Seite des Sees. Wir haben herrlichstes Wetter und ich kann die Kepler Berge bei Sonnenschein bewundern, nachdem ich sie auf dem Kepler Track bei Regen bewandert habe.
Auf der anderen Seite des Sees werden wir schon von einem Bus erwartet, der uns in rund 45 Minuten über den Wilmot Pass zum Doubtful Sound bringt. Unser Busfahrer ist ein gutgelaunter Kiwi, der nicht nur an verschiedenen Aussichtspunkten für uns stoppt, sondern uns auch über eine der abgelegensten Straßen Neuseelands informiert. Eine 22 Kilometer lange Straße deren Anfang sich am Lake Manapouri und deren Ende sich am Doubtful Sound befindet. Wie sind wohl die Busse hierhergekommen? Nein, weder geschwommen noch geflogen; es gibt eine kleine Verbindungsstraße in die Zivilisation. Zum Zeitpunkt des Baus der Straße als Versorgungsweg für die Errichtung des Wasserkraftwerks am Lake Manapouri war sie die teuerste Straße von Neuseeland. Und berücksichtigt man die Inflation, dann ist sie es auch heute noch. Und steil ist die Straße auf dem Stück vom Wilmot Pass hinunter zum Doubtful Sound! Dafür hat man einen herrlichen Blick auf den Sound.
Am Doubtful Sound bei Deep Cove angekommen, erwartet uns bereits unser Schiff: die Fjordland Navigator. Ein modernes Schiff aus dem Jahr 2001 auf dem 70 Gäste Platz finden. Wir haben Glück und belegen mit nur 26 anderen Passagieren die Fjordland Navigator. Um unser Budget nicht völlig überzustrapazieren haben wir 2 Kojen in einer 4er-Kabine gebucht – sozusagen die Backpackervariante. Aber bei der geringen Belegung können wir uns über eine eigene Kabine freuen. Blütenweiße Bettwäsche, flauschige Handtücher und ein schöner Blick aus dem Bullauge, wenn man im oberen Etagenbett liegt! Nur eine Tür zum Abschließen gibt es in der Backpackervariante nicht; hier wird mit Vorhang gearbeitet.
Wir haben kaum Zeit unser kleines Gepäck zu verstauen, als das Schiff schon ablegt. Der Kapitän begrüßt uns im Salon, wir erhalten die unvermeidliche Sicherheitseinweisung, es erwarten uns Muffins und frisches Obst. Tee und Kaffee kann sich jeder nach Lust und Laune rund um die Uhr nehmen. Die Fahrt bis zur Fjordmündung könnte man in gut 2 Stunden problemlos zurücklegen, denn der Doubtful Sound ist nur rund 40 Kilometer lang. Die Fjordland Navigator erkundet mit uns jedoch auch die Seitenarme des Fjordes. Der Fahrtwind bläst mir auf Deck recht frisch ins Gesicht und ich packe mich trotz Sonnenschein und blauem Himmel in Fliespulli und Windbreaker ein. Wir werden von unserem „nature guide“ laufend über Pflanzen, Tiere und Geologie des Doubtful Sound informiert und erfahren viel Interessantes.
Im übrigen: Fjord oder Sound? Fjord, denn der Doubtful Sound wurde durch Gletscher ausgeformt – also ist eigentlich sein Name falsch, denn ein Sound ist einfach nur ein mit Wasser gefülltes, versunkenes Tal.
Nach einer guten Stunde Fahrt durch die prachtvolle Fjordlandschaft – steil aus dem Fjord aufragende Berge und tiefgrüner Regenwald vor einem strahlend blauem Himmel bei knalligem Sonnenschein – stoppt der Kapitän unser Schiff. Einen Ausflug mit dem Tenderboot? Kajakfahren? Schwimmen? Das Wasser ist nach den letzten Tagen Sonnenschein nicht mehr ganz so kalt. Trotzdem finde ich 19 Grad nicht gerade viel und optiere für einen Kajakausflug. Auf dem Schiff sind 28 kleine Einerkajaks vorhanden. Sie sind lange nicht so stabil wie die Doppelkajaks, die ich auf meinen letzten beiden Kajaktouren benutzt habe und das Wasser ist ein wenig unruhig. Also lasse ich meinen Foto an Bord, denn es gibt keine Drybags und auch keine Möglichkeit eine Tasche auf dem kleinen Kajak zu befestigen. Und wenn hier was über Bord geht, dann bleibt es auf dem Grund des Fjords, denn der Doubtful Sound ist mit seinen 420 Metern Tiefe der tiefste Fjord in Neuseeland.
Ela und ich haben viel Spaß in unseren kleinen Kajaks. Wir paddeln eine dreiviertel Stunde auf dem Fjord mehr oder weniger nah entlang des Ufers. Ich stelle mir gerade die Frage, wann wir wohl umdrehen werden, um zum Schiff zurückzupaddeln, als ich hinter mir die Motoren höre. Wir müssen nicht zurückpaddeln, sondern werden eingesammelt. Als Tenderboote und Kajaks wieder an Bord sind, ist das Heck des Schiffes zum Baden und als Sprungbrett freigegeben. Auch Crewmitglieder nutzen dieses herrliche Wetter aus und beeindrucken uns mit akrobatischen Sprungeinlagen.
Zum Aufwärmen und zur Überbrückung bis zum Abendessen wird im Salon ein Süppchen serviert. Dazu gibt es frische Brötchen. Derweil nehmen wir wieder Fahrt auf Richtung Meer.
Am Ende des Doubtful Sounds erwartet uns eine Seerobbenkolonie; genauer gesagt sind hier die neuseeländischen Seebären heimisch. Der englische Name fur seals trifft es vielleicht besser, denn die Robben sehen wirklich ganz pelzig aus. Ein paar von ihnen sind zu Hause, darunter auch einige Seelöwenmütter mit ihren Robbenbabies. Und es ist eine Freude ihnen zuzusehen: Völlig unbeholfen an Land entwickeln sie sich zu eleganten Schwimmern und Tauchern im Meer.
Die Fjordland Navigator streckt ihren Bug gerade soweit aus dem Doubtful Sound auf das Meer hinaus, daß wir einen beeindruckenden Blick auf die Küste des Fjordlands erhalten.
Dann geht es zurück in den Sound und wir fahren nah an einige vorgelagerte Inselchen heran.
Wer weiß, was es da zu sehen gibt? Der Kapitän weiß es wohl: Pinguine! Genauer gesagt sehen wir zwei Dickschnabelpinguine, die mit ihren buschigen gelben Federn, die vom Schnabel bis zum Scheitel laufen, ganz markant aussehen.
Nun aber fahren wir endgültig zurück in den Sound und zu unserem Ankerplatz für die Nacht.
Halb acht abends ist es Zeit zu Abend zu essen. Es gibt ein tolles Buffet. Fleisch, Fisch, Vegetarisch, Salate und Soßen in großer Auswahl. An der Bar holen wir uns ein Glas Wein um unsere Schlemmerei abzurunden. Und zum Nachtisch wird ein Buffet aus Torten, Fruchtsalat, Cremes und Käse serviert. Ich versuche es, scheitere aber kläglich bei dem Versuch mich einmal durch das Buffet zu essen. Was für ein Gegensatz zu meiner Verpflegung auf dem Kepler Track, wo ich mich mit der Backcountry Cuisine-Variante (Tüte auf, heißes Wasser rein, 10 Minuten ziehen lassen, essen) verköstigt hatte.
Nach dem Abendessen werden wir in die Lounge eingeladen. Es wird ein interessanter Vortrag über das Fjordland mit seinen Pflanzen und Tieren angeboten. Ich bin ein wenig abgelenkt, da draußen gerade die Sonne untergeht und einen rötlichen Schein auf die Berge wirft. Und so stehle ich mich kurz aus dem Vortrag hinaus um einige Fotos zu machen. Ich flüchte aber gerne wieder ins Innere, denn draußen sind Sandfliegen unterwegs und suchen Opfer.
Am nächsten Morgen werden die Motoren um 6:30 Uhr angeworfen. Und wer das überhört hat, wird ein wenig später mit einem herzhaften „wakey wakey“ über Lautsprecher von unserem Kapitän geweckt.
Auch heute ein Tag mit strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Auch wenn uns mehrfach versichert wird, daß der Doubtful Sound auch bei Regen wunderschön ist – mit seinen dann vielfach vorhandenen Wasserfällen – freuen wir uns über das Wetter.
Frühstücksbuffet von 7 bis 8 Uhr. Währenddessen ackert die Crew und bringt die Kabinen für die nächste Tour auf Vordermann.
Wir hängen derweil über der Reling und beobachten völlig fasziniert eine Gruppe Tümmler, die neben dem Schiff herschwimmt, aber vor allem vorne direkt in der Bugwelle surft. Was für ein toller Anblick!
Nur leider ist das mit dem Fotografieren dieser flinken Tiere gar nicht so einfach! Also heißt die Devise vor allem zuschauen und genießen.
Der Abschluß und ein weiterer Höhepunkt unserer Tour bildet der Abstecher in den letzten Seitenarm des Fjords. Das Wasser ist am Ende des Fjordarms total glatt. Kein Windhauch bewegt sich. Die Berge spiegeln sich in der Wasseroberfläche. Es ist ein so kolossaler Anblick, daß man ihn auf einem Foto nicht wirklich einfangen kann. Und dann schaltet der Kapitän die Motoren aus und wir landen im „Sound of Silence“. Minuten der Stille, in denen wir alle ohne Gespräch, klickende Kameras oder Bewegung verharren und die Natur um uns herum und die Spiegelung der Berge im Wasser genießen. Die Vogelstimmen, zuerst vereinzelt und leise wahr genommen, werden mehr und stärker. Das Rauschen eines Wasserfalls vervollständigt unser Naturkonzert. Was für ein Erlebnis!
Fünf Minuten später reißt uns der wieder anspringende Motor aus unserem Traumzustand und wir nehmen Kurs auf unsere Anlegestelle. Mit großem Bedauern verlassen wir die Fjordland Navigator an der Anlagestelle. Nun steht noch der Rücktransfer per Bus und Boot nach Manapouri an, bevor wir uns wieder mit dem Auto auf den Weg machen. Diesmal Richtung Norden.