Bin am Sonntag in Belize City angekommen. Hier herrscht eine andere Lebensart als in Nicaragua, leichter, aber auch temperamentvoller – „live cool“ wie mir ein Einheimischer sagt. Das Land macht einen reicheren Eindruck. Ich habe mir ein Zimmer im Smokin‘ Balaam Guest House reserviert. Bin etwas skeptisch als ich das Hostel von außen sehe, aber das Zimmer ist nett und die Besitzerin Anna kümmert sich sofort um mich. Morgen eine Tour nach Lamanai? Klar, und wenn ich mit dem lokalen Bus bis zur Zollbrücke kurz vor Orange Walk fahre, dann kann ich die ganze Tour für 45 USD statt 90 USD machen. Anna kündigt mich bei Errol an, der Touren nach Lamanai anbietet. Am nächsten Morgen nehme ich morgens um 5:45 Uhr ein Taxi zum Busbahnhof; der Bus nach Orange Walk fährt um 6 Uhr. Ich erzähle dem Busfahrer, daß ich an der roten Mauer vor der Zollbrücke aussteigen möchte und mache es mir für die Fahrt im Chickenbus soweit es geht gemütlich. Der Busfahrer verschläft natürlich meinen Stop, aber Anna hat mir genau eingeschärft wo ich auszusteigen habe. Als nach rd. 1 Stunde und 15 Minuten das Haus mit der großen roten Mauer vor der Zollbrücke (tolle Haltestelle, oder?) in Sicht kommt, springe ich auf und rufe: Busstop! Ich steige aus, entdecke auch gleich das Schild „Lamanai Eco Adventures“ von Errol. Ich bin sehr früh dort und habe ausreichend Zeit ein wenig am Anlegesteg mit Blick auf den New River, den ich bald mit dem Boot entlangfahren werde, zu träumen.
Die Tourguides richten die Boote für die Abfahrt und nebenan wird ein neues Boot umgebaut. Dieser Sonntag ist ein ruhiger Tag und so habe ich Glück mit nur einem anderen Paar aus den USA den Fluss entlangzufahren. Unser Tourguide heißt Colin – er ist große klasse! Unterwegs sehen wir zweimal Augen und Rücken von Krokodilen und viele interessante Vögel. Hier gibt es einen „Jesus Christ Vogel“, da dieser angeblich über das Wasser laufen kann. Nicht ganz, aber dank seiner weit gespreizten Füße kann der hübsche Northern Jacana über die Blätter der Wasserlilien balancieren. Colin zeigt uns verbrannte Palmen und erzählt uns, daß sich diese alle ein bis zwei Jahre in der Hitze selbst entzünden. Die Palmen stehen schwarz in der Landschaft, sämtlichen Palmenblättern beraubt. Sie scheinen verbrannt und tot zu sein, doch Colin versichert uns, daß die Palmen leben und wieder zu neuem Leben erwachen werden. Das Holz der Palmen ist wohl auch sehr begehrt für den Hausbau.
Wir kommen an einer kleinen Ansiedlung „Shipyaard“ vorbei. Der Ort wird von rd. 2.700 Mennoniten bewohnt, die ihre Wurzeln in Holland haben und sich 1958 aus Mexiko kommend hier ansiedelten. Ich sehe Frauen in langen, dunklen Kleidern mit Hauben oder Hüten mit einem breiten schwarzen Band, blonde blauäugige Männer in Latzhosen und mit Cowboyhut – Bilder wie aus einem anderen Jahrhundert! Sie sprechen ein altertümliches Deutsch und lehnen teilweise die Verwendung von technischen Errungenschaften völlig ab. Und so kommt die Straße entlang auch kein Auto, sondern ein Pferdefuhrwerk herangefahren. Colin erzählt, daß die Mennoniten ausschließlich für das Sägewerk und die Landwirtschaft Maschinen verwenden. Ansonsten: willkommen in der Steinzeit! So bin ich froh, daß unser Boot mit Außenborder fährt und ich in dieser Hitze nicht rudern muß.
Die Ruinen von Lamanai, was in der alten Maya-Sprache soviel wie „untergetauchtes Krokodil“ bedeutet, liegen am Ufer des New River an einer 48 km langen Inlandslagune. Mit einer Besiedlungsdauer von ca. 3.000 Jahren gehört Lamanai zu den am längsten kontinuierlich besiedelten Mayastädten: Von 1.500 BC bis zum Eintreffen der Spanier im 16. Jh! Die Archäologen vermuten, daß hier zu Hochzeiten rd. 20.000 Menschen gelebt haben. Heute sind 4 Tempel zu besichtigen, die teilweise freigelegt und rekonstruiert wurden. Der Jaguartempel hat an seiner Basis zwei wunderschöne eingearbeitete Gesichter eines Jaguars. Weiterhin wurden die Grundmauern des königlichen Wohnkomplexes freigelegt, die mich damit verblüffen, daß Bäder und gemauerte Betten zu erkennen sind. Colin erzählt, daß Kautschuk als Auflage für die gemauerten Betten gefunden wurde. Der Maskentempel ist mit zwei über 4 Meter großen Masken von König und Königin dekoriert. Leider hat man beide Originalmasken hinter eine Schicht aus Fiberglas gesetzt – zum Schutz vor den vielen Touristenhänden. Ob es hilft und das Original damit wirklich geschützt wird?
Der High Tempel, der mit seinen 33 m der höchste pre-classische Maya-Tempel ist, begeistert mich von Anfang an: ich kann ihn besteigen. Ich klettere die steilen, hohen Stufen des Tempels nach oben – in brütender Hitze. Als ich oben angekommen bin, lässt der Blick über den Urwald hinweg alle Strapazen vergessen. Es bietet sich ein unglaublicher Blick in die Ferne; wäre es nicht so diesig koennte man andere Maya-Stätten der Umgebung sehen. Es hat etwas Erhabenes an sich so weit oben und über dem Blätterdach des Waldes zu stehen. Ich verstehe, warum die Mayas ihren Göttern mit Hilfe dieser Tempel huldigten und glaubten ihnen so näher sein zu können.
Ein Abschlußbesuch im kleinen Museum rundet meinen Besuch in Lamanai ab. Auf Picknicktischen baut unser Tourguide ein spätes Lunch auf. Bohnen mit Reis (wie kann es auch anders sein?), aber auch gebratenes Hühnchen, Salat und Papayas als Nachtisch. Ich lasse es mir schmecken, da mein Magen schon ein Weile nach Essen ruft. Dann geht es mit dem Boot zurück Richtung Orange Walk. Einer der Tourguides fährt von unserer Anlagestelle mit dem Auto in die Stadt und nimmt mich bis zur Bushaltestelle mit.
Ich warte 40 Minuten auf den nächsten Bus. Er ist brechend voll und noch mehr Leute stehen an der Bushaltestelle. Es fängt ein Schieben und Drängeln an, da jeder als erstes in den Bus möchte. Wie schön und gemütlich war das Queueing doch in Nicaragua! Inzwischen habe ich ziemliche Kopfschmerzen – der Lärm des Außenborders, das späte Mittagessen, die Hitze – und will nur noch nach Belize City. Ich muß stehen, die Musik dröhnt durch den Bus und ich stelle mich auf eine lange, strapaziöse Fahrt ein und hoffe, daß mir nicht noch zu allem Überfluß schlecht werden wird. Dann ein bißchen Glück, ich bekomme einen Sitzplatz – allerdings fängt das Mädel neben mir an aus einem Styroporbehälter zu essen. Es weht der Duft von warmem Essen zu mir, ich bin dankbar für die offenen Fenster im Bus, die den Essensgeruch immer wieder fortwehen, denn mein Kopf und Magen spielen nicht mit. Den Rest der Fahrt döse ich vor mich hin und als wir Belize City erreichen, zeigt meine Kopfschmerztablette endlich Wirkung und ich mache mich gutgelaunt auf den Weg in mein Hostel.