Wie die Zeit vergeht! Inzwischen bin ich schon in Cusco, habe aber noch gar nicht über meinen Ausflug zum Colca Cañon berichtet. Nun, ich mußte meinen Ausflug sprichwörtlich erst einmal verdauen. Denn drei wunderschöne Tage endeten mit einem recht heftig verdorbenen Magen.
Aber zurück zum Anfang. Freitag war mein letzter Tag Spanischunterricht in der Sprachschule EDEAQ in Arequipa. Abschiedsfoto, letzte Unterrichtsstunden, nach 4 Wochen wieder Rucksack packen. Ich werde nicht nur meine netten Spanischlehrer sondern auch mein gemütliches und supergünstiges Hostal ‚Los Andes‘ mit sonnigen großen Räumen mitten im Zentrum von Arequipa wirklich vermissen.
Mitten in der Nacht am Samstag ging dann der Tourbus zum Colca Cañon. Kalt war es morgens um 3:30 Uhr und es wurde auch nicht wärmer die nächsten Stunden, da die Straße zum Colca Cañon, der lange Zeit als der tiefste Cañon der Welt galt, über einen Pass von rund 4.800 Metern führt. Mit Decken ausgerüstet versuchten wir im Bus zu schlafen und da es noch dunkel war, habe ich die Passhöhe doch glatt verschlafen. Morgens um 7:00 Uhr gab es dann in Chivay Frühstück. Chivay liegt zwar nur noch auf rd. 3.600 Metern, trotzdem schlotterte ich vor Kälte. Noch war die Sonne nicht zu Höchstform aufgelaufen und der wenige Schlaf, den ich in dieser Nacht hatte, trug sein übriges zu meinem fehlenden Wärmeempfinden bei. Wer jetzt ein nettes Frühstücksbuffet in gemütlicher Umgebung erwartet hatte, wurde mit der harten peruanischen Wirklichkeit und Massentourismus konfrontiert. Heizung? Fehlanzeige. Gemütliches Frühstückslokal? Gleichfalls Fehlanzeige – lange Tische zur Massenabfertigung. Trockene Brötchen, ein bißchen Butter und Marmelade, Rührei ja, aber beim Hineinbeißen knirschte es dann doch deutlich – nur der warme Tee munterte mich auf.
Von Chivay, das am oberen Ende des Colca Cañons liegt, ging die Fahrt dann ans andere Ende des Cañons zu einem kleinen Dorf namens Cabanaconde. Unterwegs machten wir Stop am Aussichtspunkt Cruz del Condor. Schock – der Massentourismus schlägt hier voll zu. Minibusse, Reisebusse, Menschen über Menschen. Dazwischen in farbenfrohe Trachten gekleidete Peruanerinnen, die Alpaka-Handschuhe, Mützen, Schals, Strümpfe und vieles mehr anbieten und vermutlich gute Geschäfte machen. Und alle Touristen warten ansonsten darauf, daß die Condore über der Schlucht auftauchen. 35 Minuten Aufenthalt als Vorgabe der Guides, nur wo sind die Condore? Sie lassen auf sich warten. Lassen sich eben nicht terminieren. Kurz vor der geplanten Weiterfahrt kommen sie dann aus den Tiefen der Schlucht empor. Erst einer, dann zwei, dann immer mehr. Ein unglaublicher Anblick. Imposant und beeindruckend, als diese größten Vögel der Welt ihre Kreise über uns ziehen. Vergessen sind die Touristenmassen um mich herum.
Am frühen Vormittag trudeln wir dann in Cabanaconde ein. Wegen meinen immer noch etwas angeschlagenen Achillessehnen kann ich keinen Trek in den Cañon unternehmen. Aber ich habe Gesellschaft. Zusammen mit Katharina bleibe ich in dem kleinen Dorf Cabanaconde, während alle anderen zu mehrtägigen Treks in den Cañon aufbrechen. Die meisten Touristen halten sich in Cabanaconde nur stundenweise auf und so ist dieser kleine Ort noch recht ursprünglich. Mit einer kleinen Plaza im Zentrum, die sich herrlich dafür eignet Einheimische zu beobachten. Die Mode der Peruanerinnen hier liegt im Streit zwischen traditioneller Tracht mit reich bestickten Oberteilen und Jogginghose. Aber egal wie, Lasten werden immer noch in bunte Tücher eingewickelt auf den Rücken gebunden und durch die Gegend geschleppt. Insbesondere in die kleinen Dörfer im Cañon wird alles zu Fuß oder per Muli transportiert. Die Plaza ist Dreh- und Angelpunkt für alle Warentransporte. Hier wird auf Busse und Lkw’s gewartet, die die unzähligen Säcke und Bündel in die nächsten Ortschaften transportieren sollen. Damit ist die Plaza ein Eldorado für mich und meinen Foto.
Womit ich nicht gerechnet hatte, waren die Eselsgruppen, die wie Jugendbanden durch das Dorf zogen. Hier ein Eselsblick in einen Laden und dort, bis Abfälle oder auch unbewachte Obststände gefunden wurden. Unbewachte Säcke auf der Plaza, die auf den Abtransport warten? Nichts wie hin und versuchen sie aufzureißen, vielleicht ist ja Getreide drinnen. Und zum Schluss ein Abstecher in den kleinen Park auf der Plaza, in dessen Mitte ein Brunnen steht – zum Durst löschen.
Ein Ausflug in die Umgebung von Cabanaconde führt mich und Katharina zu einem kleinen Aussichtspunkt mit herrlichem Blick in die Schlucht. 1.000 Meter weiter unten sehen wir die kleinen Ortschaften, in denen die Trekkinggruppen übernachten und auch die beiden Pools der Hot Springs des Dorfes Oasis. Wie hübsch bequem haben wir es doch oben in Cabanaconde ohne all diese Höhenmeter bewältigen zu müssen. Am nächsten Tag bummeln wir auf kleinen Trampelpfaden über die landwirtschaftlich genutzten Terrassen, die hier bereits zu Zeiten der Inkas angelegt wurden. Unser Ziel ist es die Abbruchkante am Cañon zu erreichen, für einen weiteren Blick in den Cañon. Wir arbeiten uns von einer Terrasse zur nächsten, als auf einmal ein warnendes Schnauben und Prusten vor uns zu hören ist. Ein großer Esel steht auf der nächsten Terrasse, blickte uns halb entsetzt und halb drohend an und stampft mit den Hufen. Während ich noch überlege, was an diesem Esel komisch aussieht, ergreift er dann auch schon Hals über Kopf die Flucht und schaut uns erneut erst wieder aus sicherer Distanz an. Neugierig sind die Esel ja allemal. Und da wird mir klar, daß diesem Eselsexemplar ein Ohr fehlt. Im Kampf abgebissen? Allen Esels-, Kuh- und Lanschaftshindernissen trotzend kommen wir dann doch noch an den Cañonrand und treffen dort auf den Trampelpfad, der aus der Tiefe des Cañons emporführt. Die meisten Trekkinggruppen kommen hier morgens um 7 Uhr an, also Abmarsch aus dem Cañon mitten in der Nacht morgens um 4 Uhr. Nun, ich beneide sie nicht.
Nach zwei Tagen Idylle in Cabanaconde dann Rückfahrt mit unseren Trekkern, entlang des Cañons mit einigen Stops an Aussichtspunkten und einem kleinen Dorf mit kolonialer Kirche. Touristenattraktion dort jedoch nicht die Kirche, sondern ein Alpaka, das auf Kommando den Touristen Küsschen auf die Wange gibt. Hatte ich das falsch verstanden, daß Lamas und Alpakas eigentlich spucken? Dieses Alpaka ist wohl wirklich gut erzogen.
Vorletzter Stop dann in Chivay, bevor es zurück nach Arequipa geht und wir den hohen Pass mit toller Aussicht – und extrem dünner Luft – nochmals passieren. In Chivay erst Hot Springs und dann Essen in einem Massenrestaurant mit Buffet zu dem es keine Alternative gibt, da es außerhalb des Ortes gelegen ist. Kurzzeitig schießt mir der Gedanke durch den Kopf, daß ich hier mit dem Essen vielleicht vorsichtig sein sollte. Aber eigentlich schmeckt es gut. Das dicke Ende kommt dann abends. Die ersten Magenkrämpfe stellen sich ein. Nicht nur bei mir, sondern bei uns dreien, die wir wieder in Arequipa angekommen eine weitere Nacht im Hostal Los Andes bleiben. Unser geplantes schönes Abendessen fällt damit aus. Und während ich noch denke, daß es bei mir nicht ganz so schlimm ist, werde ich eines besseren belehrt. Eine unruhige Nacht mit vielen Toilettengängen und Bauchkrämpfen steht mir bevor. Mit Hilfe von Immodium akut halte ich mich über Wasser und bereite mich für die Nachtfahrt am nächsten Tag nach Cusco vor.