So ein Round-the-World-Ticket zahlt sich wirklich aus. Den Sprung von Mendoza nach Santiago de Chile mache ich mit LAN und nutze Meilenguthaben. Einen Tag später bringt LAN mich dann mit einem fast 6 Stunden dauernden Flug auf die Isla de Pascua (Osterinsel) zu den geheimnisvollen Moais. Warum eigentlich Osterinsel? Nun, ein holländisches Schiff entdeckte die Insel vor über 280 Jahren an einem Ostersonntag. Die Einheimischen nennen ihre Insel immer noch Rapa Nui.
Am Flughafen auf Rapa Nui holt mich Jerome ab. Stilecht werde ich mit einer Blumenhalskette empfangen. Ich habe mich in das nette Bed & Breakfast ‚Chez Jerome‘ für 7 Nächte einquartiert. Monsieur ist Franzose, Madame eine Rapa Nui und bereits heute stecken sie mitten in den Vorbereitungen für das jährlich im Februar stattfindende Tapati-Festival. Denn diesmal ist nicht nur das Festival selbst zu organisieren, sondern ihre älteste Tochter ist als Kandidatin nominiert. Ob sie diejenige sein wird, die zum Höhepunkt des Festivals als Königin gekrönt werden wird? Ich drücke ihr die Daumen. Die Proben sind auf jeden Fall in vollem Gang – abends wird an Gesang und Musik gefeilt und während wir Moais besichtigen trainiert Celine für einen ihrer Wettkämpfe: Einmal durch den Kratersee des Ranu Raraku schwimmen und ein Lauf. Königin der Rapa Nui wird, wer die höchste Punktzahl aus verschiedenen Wettkämpfen sammelt. Wettkämpfe finden im Tanzen, Singen, Pferderennen, Angeln, Tauchen,Triathlon á la Rapa Nui, im Schnitzen von Moai-Statuen, im Kochen, im Rudern und im Haka Pei statt, einem Abfahrtsrennen an einem Vulkanhang auf Bananenbaumschlitten. Und natürlich werden Körperbemalung und die Fingerfertigkeit beim Auffädeln von Muschelketten ebenfalls geprüft. Die Kandidatinnen werden dabei von ihren Familien und einem großen Anhang unterstützt, darunter erfahrene Athleten und Experten. Welche Athleten für welche Kandidatin kämpfen, darüber entscheidet auch die Stammeszugehörigkeit. Schade, daß ich das nicht erleben werde. Aber andererseits wird im Februar die Insel völlig überfüllt sein und im Moment kann ich die verschiedenen Moais, diese riesigen Steinskulpturen, ganz ungestört besuchen.
Die Zeitverschiebung schenkt mir 2 Stunden. Hier auf der ‚einsamsten Insel der Welt‘ abseits der großen Schifffahrtsrouten bin ich immerhin rund 3.700 km Kilometer vom chilenischen Festland entfernt. Die nächste bewohnte Insel, Pitcairn, kommt erst in 2.078 Kilometern; bis Tahiti sind es dann schon 4.251 Kilometer. Nicht gerade um die Ecke. Schon beim Anflug auf die Insel denke ich, daß es ganz schön viel Wasser – tiefblau – und wenig Insel ist. Die Form der Insel ist ein ‚Dreieck mit dramatischen Ursachen‘, wie es so schön auf einer Osterinsel-Webseite heißt, denn die Insel ist vulkanischen Ursprungs. Und wieso hatte ich eigentlich die Vorstellung, daß die Insel mit Ausnahme der drei Hauptvulkankegel flach ist? Es gibt mehr als 70 kleine Nebenkrater auf der Insel, die ihr ein hügeliges Aussehen verpassen. Auch wenn die Insel an ihrer längsten Stelle nur 24 Kilometer mißt, komme ich ins Zweifeln alle Moais mit dem Fahrrad besuchen zu wollen.
Aber erst einmal besuche ich die Hauptstadt – und einzigste Stadt – von Rapa Nui, Hanga Roa. Eine Stadt? Eine Hauptstraße, die alles andere als einen städtischen Eindruck macht. Die Häuser liegen verstreut genug, um mit viel Grün den Eindruck einer Stadt zu verwischen. Und die entspannte Lebensart der Insel trägt ihr übriges dazu bei. Ich bummele auf jeden Fall zu dem Hafen, der keiner ist. Denn er ist weder durch Kaimauern geschützt, noch können Schiffe direkt anlegen. Selbst die Segler ankern draußen. Ich begrüße die ersten beiden Moais, die auf einer Plattform am Fischereihafen stehen. Die Sonne brennt – mit Wind und Wolken sehr gefährlich – und gönne mir ein spätes Mittagessen, ein Thunfisch-Ceviche. Ich esse in Gesellschaft eines Hongkong-Chinesen, der kein Spanisch und nur wenig Englisch spricht. Er hatte auf eine Menü-Karte mit Bildern der Speisen gehofft. Leider am Hafen von Hanga Roa in den kleinen Restaurants nicht zu haben. Also übersetze ich soweit es geht.
Nachmittags mache ich mich dann auf den Weg zum Ahu Tahai und Ahu Akapu in der Nähe des Museums. Hier thronen auf drei Zeremonialplattformen (Ahu) Moais. Einer davon trägt einen wunderschönen Kopfaufsatz – der vermutlich soviel wie zwei Elefanten wiegt – und besitzt Augen. Wie um Himmels willen haben die Rapa Nui nur diese gigantischen Steinstatuen bewegt und ihnen ihre Kopfaufsätze aufgesetzt? Und warum haben die anderen Statuen keine Augen? All das werde ich die nächsten Tage bei meinen Ausflügen mit Jerome – ich bin faul und habe inzwischen für die Autovariante mit gutem Guide statt Fahrrad optiert – lernen.