Buenos Aires … und die Welt ist in Ordnung. Zumindest für mich. Eine Stadt, in der ich nicht nur Tage, sondern vermutlich auch Monate verbringen könnte. Eine Stadt zum Wohlfühlen, fast europäisch anmutend in manchen Ecken und doch wieder typisch südamerikanisch.
Von meinem Bed & Breakfast ‚La Otra Orilla‘ im Stadtteil Palermo Viejo aus erkunde ich die Stadt. Vieles geht mit der Metro, die hier ‚Subte‘ heißt, aber nicht alles. Und da es mir zu stressig ist, mich mit dem Bussystem vertraut zu machen, bin ich viel zu Fuß unterwegs – und sehe so um so mehr.
Buenos Aires ist eine sehr entspannte Großstadt. Keine Hektik – trotz der Größe. Immerhin wohnen 13 Millionen Leute hier, das ist ein Drittel aller Argentinier. Kein Wunder, daß der Rest des Landes in manchen Teilen einfach nur leer ist. Und doch – mein Sprung von Montevideo nach Buenos Aires ist spürbar. Angefangen natürlich schon damit, daß Montevideo nur 10 % der Einwohner von Buenos Aires hat, ist hier in Buenos Aires alles ein bißchen großstädtischer, weltgewandter und ja, auch arroganter. Die offene, fast schon überschäumende Nettigkeit der Uruguayos fehlt mir.
Und so streife ich durch die Barrios von Buenos Aires. Was alles anschauen? Die Auswahl ist so vielfältig, daß ich nur einen Bruchteil der Stadt erkunden kann. Und so überlasse ich es dem Zufall, wohin mich meine Füße tragen. Ich laufe durch die hippen Barrios von San Telmo, Recoleta und Palermo, die geschäftige Ecke Retiro, durch das Parlamentsviertel und natürlich das Microcentro mit dem Präsidentenpalast.
Palermo mit seinen vielen Boutiquen, kleinen Geschäften, Bars, Cafés und kleinen Restaurants hat es mir angetan. Auf meinem Bummel durch San Telmo überkommt mich der Hunger und ich kehre in der nächsten Kneipe an der Ecke, dem ‚El Federal‘, ein. Treffer, wie ich nachher im Reiseführer lese, ist es doch eine Institution des Barrios. Es ist eine der sogenannten ‚bares notables‘ (bemerkenswerte Bar) und seit 1864 in Betrieb. Ich trete durch die Tür und fühle mich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückversetzt. Eine alte, kunstvoll verzierte Holzbar, der Mosaikfußboden noch original, die Flaschen in den Regalen aus einem anderen Leben – wenn die Wände doch reden könnten. Durch die Vergabe des Titels ‚bar notable‘ hat Buenos Aires das ‚El Federal‘ als Erbe der Porteño-Kultur anerkannt. Und so ist es natürlich ein Touristenhighlight. Aber an dem langsamen Samstag nachmittag befinde ich mich alleine unter Porteños, wie sich die Einwohner von Buenos Aires nennen.
Eine der Hauptsehenswürdigkeiten soll die ‚Subte‘ Linie A sein. Auf der Linie A fahren noch die alten, originalen Holz-Waggons. Fenster sperrangelweit offen. Auch hier ist alles entspannt. Von der hektischen Metro in Paris, wo die Drehkreuze mit Hilfe von mannshohen Türen gegen Schwarzfahrer gesichert sind und doch nicht gegen diese ankommen, ist es ein weiter Weg bis hierher nach Buenos Aires. Alte Holzdrehkreuze mit neuer Magnetkartentechnik. Trotzdem bin ich ein bißchen enttäuscht von dieser als ‚Hauptsehenswürdigkeit‘ angeprisenen U-Bahn. 1913 in Betrieb genommen, ist die Subte von Buenos Aires zwar die älteste U-Bahn von Lateinamerika, aber sie kann doch nicht mit den alten Jugendstil-Stationen der Metro in Paris mithalten. Aber die alten Holzwaggons haben schon ihren Charme.
Von dem Teatro Colon bin ich dagegen uneingeschränkt begeistert. Es wurde am 25. Mai 1908 nach fast 20 Jahren Bauzeit mit der Oper Aida von Guiseppe Verdi eröffnet. Es ist eines der größten und auch berühmtesten Opernhäuser der Welt. Und im Moment eine Augenweide, denn nach 4 Jahren grundlegender Renovierung wurde es am 24. Mai 2010, zur 200-Jahr-Feier der argentinischen Unabhängigkeitsbewegung, wiedereröffnet. Ich ergattere eines der begehrten Tickets für eine Führung. Schlange stehen ist angesagt. und teuer sind die Tickets. Nicht für Argentinier, aber für uns Ausländer. Ich bezahle mal wieder den 3-fachen Preis. Trotzdem, das Gebäude ist eine Wucht! Leider nur sind Proben für die nächste Premiere in Gang und so sehen wir das Auditorium nur ohne Licht.
Am Samstag führt mich mein Weg zum ‚Congreso‘, dem Parlament von Argentinien. Ein beeindruckendes Gebäude. Meinem Reiseführer zufolge ist es das imposanteste Gebäude von Buenos Aires. Das mag wohl sein. Doch je länger ich es mir anschaue, desto internationaler wird es. Im griechisch-römischen Stil, aus argentinischem Granit erbaut durch einen französischen Architekten, ähnelt es mit seiner Kuppel dem U.S. Capitol und der zentrale Giebel ist mit einer Quadriga gekrönt, die stark an das Brandenburger Tor in Berlin erinnert. Wer weiß was sonst noch alles an Ideen geklaut wurde? Der ‚Congreso‘ ist ein Beispiel par excellence für die selbstbewußte Art der Argentinier architektonische Elemente der berühmtesten Gebäude der Welt in anderem Zusammenhang neu zu interpretieren.
Auf meinem Rückweg zur Kathedrale – die übrigens von außen wie ein griechischer Tempel und nicht wie eine Kathedrale aussieht – stolpere ich über einen Folkloreumzug. Die in Argentinien lebenden Bolivianer sind in ihrem Element. Während ich in der knallenden Sonne schwitze, tanzen sie in ihren Trachten durch die Straße. Die Männer in mir teils skurril anmutenden Kostümen, Masken jedoch aufgrund der Hitze vielfach in der Hand gehalten anstatt aufgesetzt. Die Frauen tanzen entweder in warmen Trachten aus dem Hochland der Andenregion oder in den knappesten Röckchen überhaupt – und das bei den rundlichen, wohlgenährten Figuren!
Durch Zufall sehe ich, daß die ‚Casa Rosada‘ am Wochenende besichtigt werden kann. So stelle ich mich wieder in eine Schlange und warte geduldig, bis ich mit der übernächsten Führung in die heiligen Hallen des Präsidentenpalastes geführt werde. Das ist vergleichbar mit einem Besuch von Schloß Bellevue in Berlin.
Allerdings wohnt der argentinische Präsident – der aktuell eine Frau, Cristina de Fernandez de Kirchner, ist – nicht in der Casa Rosada; es ist nur sein reprtativer Arbeitssitz. Leider darf ich den Balkon auf dem Evita Peron ihre Reden hielt – und Madonna ihren Film ‚Evita drehte – nicht betreten.