Shopping Malls, Supermärkte, Starbucks, Creperie oder Straßenverkäufer, Cevicheria, Pikanteria, lokaler Markt? Fortschritt kämpft gegen Tradition, international gegen peruanisch. Samstag morgen entscheide ich mich in Begleitung von Katharina für einen Besuch des lokalen Marktes. Er liegt in einem Stadtviertel, das dicht an dicht mit kleinen Läden und Handwerksbetrieben bevölkert ist. Vom Eisenwarenhändler bis zum Gitarrenbauer ist hier alles ansässig. An den Straßenkreuzungen sitzen Frauen auf den Gehsteigen und verkaufen Obst und Kräuter. Und nicht zu vergessen sind die Konditoreien mit ihren quietschebunten Torten! Mitten in diesem geschäftigen Viertel befindet sich der Mercado Central mit vielen kleinen Marktständen in einer überdachten Markthalle, die einen ganzen Häuserblock einnimmt.
Am Eingang begrüßt uns eine Heiligenstatue und auch bei unserem Gang über den Markt treffen wir zwischen den Ständen immer wieder auf kleine Heiligenfiguren. Als erstes fallen mir die farbenfrohen Obststände auf mit den sorgsam gestapelten Orangen, Äpfeln, Melonen und Papayas – sogar die Erdbeeren sind sorgsam angeordnet und gestapelt. Daneben Stände mit Unmengen verschiedener Sorten von Kartoffeln – denen sich nahtlos Hundetrockenfutter anschließt. Was es da wohl für einen Bezug gibt? Avocado und Artischocken werden gesondert an anderen Ständen angeboten. Überhaupt scheinen die Produkte, die an den einzelnen Ständen verkauft werden, jeweils streng in eine Kathegorie zu fallen und die Stände ebenfalls sorgsam sortiert zu sein.
Egal in welche Richtung wir uns vom Obst aus wenden, wir landen beim Fleisch. Nun, Fleisch spielt in Peru eine wichtige Rolle, da ein Essen ohne Fleisch kein wirkliches Essen ist. So bummeln wir zwischen gerupften Hühnern komplett mit Füßen und Kopf und zerhackten Hühnerschenkeln und -flügeln hindurch. Vor allem Hühnerfüße scheinen beliebt zu sein. Nebenan werden Schweinehaxen – oder sagt man Schweinsfüße? -, Koteletts, und Lendchen verkauft. Wieder einen Gang weiter kommen wir zu den Pansen, Herzen, Nieren und sonstigen Innereien. Hier riecht es schon weniger lecker. Gegenüber werden Rinderzungen angeboten – ganz schön riesige Waschlappen. Und völlig ungläubig betrachten wir an der nächsten Ecke die aufgestapelten getrockneten Schafsköpfe. Wofür werden die wohl verwendet?
Am Ende des ersten Abschnitts der ‚Fleischabteilung‘ angekommen, erwarten uns die Saftstände mit gestapelten Orangen, Ananas, Papaya und mehr. Nur mit dem Fleischgeruch noch in der Nase will keine rechte Lust auf einen frisch gepressten Saft aufkommen. Und so bummeln wir auf die andere Seite der Markthalle; vorbei an bunten Blumenständen kommen wir zu den Kräuterkiosken. Die kleinen Häuschen platzen aus allen Nähten, überall hängen frische und getrockenete Kräuter und traditionelle Heilmittelchen und Glücksbringer. Unter anderem werden getrockenete Lamaföten verkauft, die entweder als Brandopfer Mutter Erde darzubringen sind oder unter der Türschwelle des eigenen Hauses vergraben werden. Nachhilfe zum Glück. Ob das in Europa auch wirkt?
Ich stehe bewundernd vor einem Käsestand mit sorgsam aufgestapelten Käserädern und in Blätterstreifen gebundenem Frischkäse, als von hinten der Ruf ‚atencion!‘ erschallt. Und schon wird ein komplettes Schwein an mir vorbeigetragen. Ich folge dem Träger, der sich durch die Gänge des Marktes schlängelt und schließlich das Schwein zur weiteren Verarbeitung auf einem Marktstand ablädt. So lande ich wieder in der Fleischabteilung, diesmal auf der anderen Marktseite. Neben Schwein werden hier auch Rind und Alpaca verkauft. An einer altertümlich anmutenden Maschine wird frisches Hackfleisch produziert. Gleich nebenan sind die Fischstände, wo ich über ein Stück Tintenfisch staune und von dem Verkäufer erfahre: ’si, si, pulpo gigante‘. Aber wofür sind wohl die getrockneten Frösche, die gleich daneben sorgsam nebeneinander auf einer Leine aufgehängt sind? Meine Recherche ergibt: als Suppe und Potenzmittel zu genießen – na dann, wohl bekomm’s!
Mich begeistert der Markt. Staunen, rätseln und manchmal auch leichter Ekel. Aber unser Hackfleisch für die abendlichen Spaghetti Bolognese kaufen wir dann doch im Supermarkt – sauber verpackt, geruchsneutral und ohne grinsende Schweinsköpfe in der Auslage.