Corcovado-Nationalpark

Wir erreichen Sierpe auf der Halbinsel Osa ganz im Südwesten von Costa Rica. Von hier aus fahren die Boote in den Nationalpark Corcovado. Unsere freudige Erwartung auf die kommenden Tage im Regenwald fern der Zivilisation wird durch die Nachricht über das Erdbeben und den Tsunami gedämpft. Tsunamiwarnung auch für die Pazifikküste Costa Ricas. Wir fahren trotzdem um 16 Uhr Ortszeit. Die in Costa Rica für genau diesen Zeitpunkt angekündigte Welle hat sich glücklicherweise im Pazifik verlaufen. Es bleibt ein Nachgeschmack, da wir nur mit wenigen Brocken Information fahren, die wir im Fernsehen in einem Restaurant auf spanisch aufgeschnappt haben. Weitere Nachrichten werden wir erst in 4 oder 5 Tagen wieder bekommen.

Eine spektakuläre Bootsfahrt bringt uns von dem kleinen Ort Sierpe durch die Mangroven des Rio Sierpe in die große Bucht von Bahía Drake. An manchen Stellen berühren rechts und links die Wurzeln der Mangroven unser Boot.

An unserem Zielort San Pedrillo schlagen wir im Corcovado Adventures Tent Camp unser Lager für zwei Nächte auf. Für ein Zeltcamp erwartet uns eine fast luxuriöse Unterkunft: Große, gut durchlüftete Zelte (ein Segen bei der Luftfeuchtigkeit und Hitze) auf Holzplattformen und tolle Verpflegung. Wir sind gespannt auf den Nationalpark, denn im Reiseführer steht ganz poetisch, dass Corcovado das grüne Juwel in der Krone von Costa Ricas Nationalparks ist und den Höhepunkt einer jeden Costa Rica Reise darstellt.

Der Park umfaßt eine der artenreichsten Zonen der Welt. Acht verschiedene Ökosysteme, darunter Nebel-, Regen-, Mangrovenwälder und endlos lange Sandstrände. Auch heute noch werden bisher unbekannte Tier- und Pflanzenarten entdeckt. Tiere, die in anderen Landes- und Weltteilen ausgestorben sind, wie z.B. Jaguare, Totenkopfäffchen, Tapir und Dayrie-Adler – der weltgrößte Greifvogel der Welt – sind hier noch zu finden. Auf unseren Exkursionen in Corcovado begegnen wir tatsächlich einigen Totenkopfäffchen und unser lokaler Guide macht uns bei einer Wanderung am Strand auf einen Tapir aufmerksam, der gut versteckt im Gebüsch liegt. Beindruckend sind die Pelikane, die sich so tollpatschig beim Fischen anstellen, aber dicht über den sich brechenden Wellenkämmen entlangsurfen. Interessanterweise fliegen sie immer nur in einer Richtung den Strand entlang. Auch das klärt sich auf – es geht raus aufs Meer.

Abends erwacht der Dschungel dann für unsere Ohren erneut – ein ohrenbetäubender Lärm durch Zikaden. Diese kleinen Insekten lärmen mit ihren großen Flügeln, was das Zeug hält. Wir schlafen im ersten Zelt am Meer und kommen deshalb zusätzlich in den Genuss der starken Meeresbrandung und – man glaubt es kaum – eines lauten Krötenkonzerts. Ich habe so meine Zweifel, ob ich in der Nacht werde schlafen können, aber auch die Kröten halten dann irgendwann Nachtruhe.

Am nächsten Morgen gibt es bereits um 5:45 Uhr Frühstück – frische Melone, Ananas mit Pancakes. Sehr lecker! Per Boot geht es dann zur Rangerstation San Pedrillo und um 8 Uhr sind wir bereits eine Stunde im Urwald unterwegs. Obwohl wir noch gar nicht im Regenwald angekommen sind, ist es bereits am frühen Morgen unerträglich warm und es herrscht eine hohe Luftfeuchtigkeit. Unser Guide macht uns auf Tiere aufmerksam, die wir alleine nie sehen würden. Vögel – Habicht, Fischreiher, Specht. Ein hoch in den Bäumen hängendes 2-Finger-Faultier, das sich keinen Millimeter rührt. Immerhin brauchen diese Tiere ja 18 Stunden Schlaf am Tag und haben deshalb keine Zeit für irgendeine Art von Körperhygiene. Ein giftiger kleiner Frosch – braun auf braunem Laub und nicht größer als ein Fingernagel. Ich hätte ihn nicht entdeckt! Affen, die durch die Baumkronen schwingen. In einer Baumhöhle sitzende Fledermäuse. Ameisenbären, die genüßlich auf dem Boden herumstöbern auf der Suche nach Ameisen und Termiten. Warum nur halten sie nicht still, wenn man ein Foto machen möchte? Eidechsen und sogar Krokodile. Ich werde also nicht in den Flüssen schwimmen gehen.

Am nächsten Tag wechseln wir unseren Standort. Es geht in den Regenwald. Auch ohne Bewegung schmore ich hier im eigenen Saft, so hoch ist die Luftfeuchtigkeit. An der Rangerstation La Sirena sind wieder Klammeraffen unterwegs. Sie bewegen sich dabei auf einer Art Affenautobahn hoch oben in den Bäumen. Wir schauen fasziniert zu, wie die Affen von Baum zu Baum springen. Sie nutzen dabei bestimmte Äste, die sie zu einem Bogen spannen und sich dadurch zum nächsten Baum schleudern lassen. Wie bei uns Menschen gibt es auch bei den Affen Profis und Neulinge, so dass wir Beobachter manchmal die Luft anhalten. Das ein oder andere Äffchen landet nicht wie geplant und muss sich akrobatisch in den Ästen der Bäume auffangen.

Die dritte Nacht schlafen wir im La Leona Tentcamp. Die letzte Wegstrecke dorthin fahren wir in einem kleinen offenen Boot. Nur 6 Leute werden jeweils mitgenommen aufgrund der starken Brandung, die uns am Strand der Lodge erwartet. Und während das vor uns fahrende Boot fast bis an den Strand fährt und eine perfekte Drehung hinlegt, so dass alle Mann über das Heck aussteigen können, läuft es bei uns nicht ganz so routiniert. Bei der Drehung bleibt das Boot mit der Schraube des Außenborders im Sand hängen, der Motor geht aus, wir schaukeln längs zum Strand und die nächste Welle ist bereits im Anmarsch. Kapitän und Helfer springen ins brusthohe Wasser und versuchen mit aller Kraft das Boot zu drehen. Geschafft – und wir hüpfen schnellstens vor der nächsten Welle an den Strand. Von dort aus beobachten wir dann, welche Mühe es bereitet das Boot wieder in ruhiges Gewässer hinter die Brandung zu fahren. Ein kleines Kunststück.

Früh am nächsten Morgen tummelt sich ein Wal vor der Küste. Leider hat er keine Lust zu springen. So sehen wir nur mal seinen Rücken und die Flosse weit draußen auf dem Meer auftauchen. Vor der allergrößten Mittagshitze wandern wir dann unsere letzte Etappe im Corcovado-Nationalpark am Strand entlang zu einem kleinen Flughafen. Der Ort Carate besteht aus kaum mehr als der Flugpiste, einer Pulpería (einem Tante Emma Laden) und einigen Häusern. Dort erwarten uns schon offene Pick-ups, die uns in einer gut einstündigen Fahrt über eine Schotterpiste nach Puerto Jimenéz bringen.

Unterwegs begegnen wir auf unserer Wanderung nochmals roten Aras. Wir beobachten zwei von ihnen beim „Ehekrach“ – was für ein Geschrei und Gezeter. Am Ende sitzen beide Aras jeweils am anderen Ende des Astes und ignorieren sich. Das hat fast schon menschliche Züge. Rote Aras gehören zu den Tropen wie die Ananas, die Kokosnuss oder Palmen, Sand und Sonne. Der Lapa Roja (roter Ara) ist mit seinem leuchtend roten Federkleid angeblich der schönste und größte der Papageien. Leider leben in Costa Rica heute nur noch zwei nennenswerte Populationen dieser Vögel – im Carara-Nationalpark und im Corcovado-Nationalpark auf der Osa-Halbinsel. Ein Lieblingsort der roten Aras sind die Kronen der Mandelbäume, wo sie mit ihren harten Schnäbeln Früchte und Nüsse knacken. Der Reiseführer nennt sie nicht umsonst auch die Nussknacker von Osa.

In Puerto Jimenez angekommen denken wir, dass unser Abenteuer auf der Osa-Halbinsel eigentlich zu Ende ist. Weit gefehlt. Nach dem Mittagessen setzen wir mit dem lokalen Boot über nach Golfito. Was zuerst nach einer ruhigen Bootsfahrt über den Golfo  Dulce aussieht, wird schnell zur Nervenprobe. Wir fahren fast 45 Minuten und kommen in bewegtes Wasser. Das Boot ist viel zu schmal, so liegt es nicht stabil im Wasser. Nicht nur ist es überladen mit Gepäck, es sind auch zu viele Personen an Bord. Der Kapitän kann eigentlich nur erahnen, wohin er fährt – immer rein in die Welle -, da er keine Scheibenwischer an der überspülten Frontscheibe hat. Die eine oder andere Welle schwappt über das Bootsdach und läuft aufgrund diverser Lecks ins Innere und durchnässt uns. Ich sitze zum Glück weit hinten in der vorletzten Reihe und das Heck ist offen. So bekomme ich einigermaßen Luft in diesem Dampfkessel und behalte krampfhaft den Horizont im Auge, damit mir nicht schlecht wird. Der Maschinist sitzt hinter mir auf den beiden Außenbordern und feixt sich eins. Er hat noch einen Zahn im Mund und so manches Mal droht er über Bord zu gehen. Das tut seiner guten Laune allerdings keinen Abbruch. Meine Laune steigt erst wieder, als wir anlegen und ich festen Boden unter den Füßen habe.

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1 Antwort zu Corcovado-Nationalpark

  1. Caroline sagt:

    Hallo Anke,

    durch Zufall bin ich auf deine Seite gestoßen und habe deine Berichte mit großer Vorfreude auf meine bevorstehende Reise in Costa Rica Mai/ Juni gelesen. Hättest du mir einen Tipp für einen guten Guide im Corcovado NP?
    Ich danke dir für deine Tipps.

    Grüße Caroline

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